: Landwirte betreten Neuland
Immer mehr Bauern halten ihre Tiere artgerecht / Das einzelne Stück Fleisch wird teurer, es schrumpelt dafür nicht mehr in der Pfanne ■ Von Ulrich Brandstetter-Madiedo
Eine Kampfansage an Massentierhaltung und Fleisch-Preisdumping ist der Verein „Neuland“: Umweltpolitische Gruppen, entwicklungspolitische Initiativen und mitdenkende Landwirte haben sich vor sieben Jahren zusammengeschlossen, um artgerechte Tierhaltung mit Qualitätsanforderungen zu kombinieren. Die Idee setzt sich langsam aber sicher durch. Rund 30 Landwirte treten dem Verein zur Zeit jährlich bei. „Im Kopf der Betriebsleiter wollen wir die Idee des ökologischen Landbaus reifen lassen“, erläutert einer der Gründer, Andreas Krug vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).
Von Neuland wurden Richtlinien für eine tiergerechte und umweltschonende Nutztierhaltung erarbeitet, die die Mitglieder einhalten müssen. Die Liste der Ge- und Verbote läßt ahnen, wie Tiere in der herkömmlichen Massentierhaltung aufwachsen: verboten sind Rüsselklammern, Nasenringe, Schwanzkupieren und Zähneabkneifen. Die Tiere werden nicht im Dunkeln gehalten, nicht angebunden, dem Futter werden keine Antibiotika und keine Beruhigungsmittel beigemengt. Tierkörpermehle sind genauso verboten wie Futtermittel aus der Dritten Welt.
Der Lebensweg der Tiere ist von vielen Regeln und Kontrollen des Tierschutzbundes begleitet. Die Kälber laufen mit ihren Mutterkühen vom Frühling bis Herbst auf der Weide, Schweine haben Auslauf, und auch pro Huhn gibt es mindestens 10 Quadratmeter Platz. Die Mast der Tiere darf nicht zu schnell vorangehen. Auch der letzte Weg, der zum Schlachthof, der von Neuland anerkannt werden muß, ist noch geregelt. All diese Regeln verhindern nicht nur unnötiges Leiden der Tiere, sondern führen auch zu geschmackvollerem Fleisch. Trotz alledem handelt es sich bei Neuland nicht um einen Verband der ökologischen Landwirtschaft, da die Futtermittel nicht aus Bioanbau stammen müssen. Die anerkannten Höfe dürfen nur eine maximale Anzahl an Tieren haben, die in einem sinnvollen Verhältnis zur bewirtschafteten Ackerfläche stehen muß. So soll ein Zeichen für eine bäuerliche Landwirtschaft gesetzt werden und eine Überdüngung des Bodens mit tierischem Dung vermieden werden.
Die Vermarktung des Fleisches erfolgt über zwei Vermarktungsgesellschaften und eigene Metzgereien. Der Verkauf ist strikt getrennt vom Verein, der die Einhaltung der Richtlinien kontrolliert.
Den Neuland-Bauern ist ein Mindestpreis für ihr Fleisch garantiert. So sollen sich die teureren Haltungskosten auch lohnen. Fleischermeister Hans-Hermann Tesmer ist einer von acht Neuland- Metzgern in Berlin: „Mehr und mehr Kunden sind bereit, für gesundes und gut schmeckendes Fleisch mehr zu bezahlen. Unser Fleisch kostet zwar ein Drittel mehr als herkömmliches, dafür schrumpelt es in der Pfanne aber auch nicht so zusammen.“
Für Metzgereien bietet der Neuland-Ansatz die Möglichkeit, sich durch Qualitätsfleisch deutlich von den Supermärkten mit ihrer oft aggressiven Preispolitik abzusetzen. So sieht auch der Deutsche Fleischerverband in Frankfurt in den letzten vier bis fünf skandalträchtigen Jahren einen deutlichen Trend hin zur „inhaberbezogenen Verkaufsstätten“.
Thorsten Walter vom NeulandVerein legt Wert darauf, daß der Verein zu keinem Zeitpunkt öffentliche Förderung bekommen hat. „Bei der Vereinsgründung konnten wir typisches Politikerverhalten erleben. Vollmundig wird Tierschutz gefordert, für konkrete Projekte gibt es aber kein Geld. Die Anschubfinanzierung von 200.000 Mark stellte die Ökobank in Frankfurt mit einem extra aufgelegten Sparbrief zur Verfügung.“
Anschriften siehe Kasten links
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