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„Ich bin angetreten als Demonstrant, als Rebell“

■ Interview mit Friedrich Rebers, Sparkassen-Vorstand und AfB-Gründer, über seine Sorge für Bremen, über Grundstücke für den Mittelstand oder: Wie Bremen gerettet werden kann - und warum Wedemeier kein Partner ist

„Ich kann keine politischen Reden halten, ich rede, wie es mir vom Herzen kommt“, sagt Friedrich Rebers über sich. So redet er mit den Leuten, wenn er Lose für „seine“ Bürgerparktombola verkauft, so regiert er auf der Vorstandsetage der Sparkasse. Wir wollten wissen, wie er Bremen regieren will.

taz: Sie verzichten aus Sorge um Bremen auf Ihren Ruhestand – was droht denn Bremen, wenn der nächste Bürgermeister wieder Wedemeier heißt?

Friedrich Rebers: Hier muß eine Demonstration stattfinden. Eine Demonstration gegen diese so festgefahrene Parteienlandschaft. Das erste Jahr der Sanierung ist doch unter dem Ampel-Senat vorbeigegangen, ohne daß etwas passiert ist. Wenn das noch vier Jahre so weitergeht ... Ich habe das als unerträglich empfunden.

Haben Sie mit Wedemeier mal unter vier Augen ihre Sorge beredet?

Nein. Ich muß ein bißchen früher ansetzen. Wir hatten 1992/93 mit einer alten Crew von SPD-Leuten – dazu gehörte Karl-Heinz Janßen, Moritz Thape, Prof. Nemitz von der LZB, Prof. Mönch, der jetzige Staatsrat Hannemann – zusammengesessen und gesagt: So kann es nicht mehr weitergegen. Diese SPD ist so verbraucht nach 50 Jahren, die sind so selbstgefällig, die kümmern sich überhaupt nicht mehr um die Sache, denen geht es nur noch um Personen: Wer wird was? In den Unterbezirken sind immer mehr alte verdiente Leute an den Rand geschoben worden und neue nachgerückt. In diesem Kreis ist ein Papier entstanden ...

„Renaissance der SPD“...

Ja, aber dieses Papier ist überhaupt nicht beachtet worden. Es war völlig umsonst. Man hätte es druckfrisch in die Weser kippen können. Ich bin dann im Sommer letzten Jahres durch vielerlei Umstände in dieser Ampelphase auf die Idee gekommen, etwas zu tun, um aus diesem Ampel-Salat herauszukommen. Aber nach den Erfahrungen mit dem Papier „Renaissance der SPD“ habe ich gedacht, daß das keinen Sinn hat, mit Wedemeier darüber zu reden. Wir würden doch in einen Unterbezirk geschickt, um dann da zu hören: Opa, geh Du doch zu den Grauen Panthern...

Wedemeier wußte früh von Ihren vertraulichen Vorbereitungen auf die AfB-Gründung.

Das war komisch: Wedemeier hat mich nie selbst gefragt. Er hätte ja anrufen können und fragen können: Stimmt was von den Gerüchten, die da im Umlauf sind? Hat er nie gemacht, sondern immer nur Karl-Heinz Janßen gefragt. Wenn der angerufen hat, dann hatte ich sehr stark das Gefühl, daß alles das, was wir besprochen haben, fünf Minuten später Wedemeier berichtet wird.

Von anderen haben ich gehört, daß Wedemeier über mich gesagt hat: Der Rebers, der scheidet nun aus der Sparkasse aus und sucht einen neuen Job – dieses Wort „Job“ ist für mich fast verletzend. Ich habe immer meine Dinge mit viel Herzblut gemacht.

Als er mich schließlich nach der AfB-Gründung anrief und am Telefon noch sagte, er habe den Vorwurf gehört, er hätte mir etwas anbieten sollen, dann hätte ich das wohl nicht gemacht, da war ich vollends empört. Ich habe das aus Sorge um Bremen gemacht.

Es wurde mal gemunkelt, Sie sollten Finanzsenator nach Kröning werden. Hat jemand mit Ihnen darüber geredet?

Nein. Mit mir nicht.

Für Sie ist der Bremer Bürgermeister eigentlich Koschnick...

Ja. Und Kaisen. Die habe ich jeweils 25 Jahre lang erlebt.

Wedemeier haben Sie nie richtig akzeptiert...

Nein. Als er 100 Tage im Amt war, wurde ich damals nach ihm gefragt. Ich habe gesagt: Der Bürgermeister Wedemeier wird nie ein richtiger Landesvater. Er war sehr publikumsscheu damals. Ich habe ihn verglichen mit einem Apparatschik in Moskau: beim Rathaus vorfahren lassen, einsteinen, Gardinen zuziehen. Er hat sich geändert, er ist ein anderer geworden, deshalb habe ich gegen ihn persönlich nichts mehr. Ich sage nur: Er ist der verantwortliche Präsident des Senats, der verhindert hat, daß es in Bremen weiter vorwärts geht.

Haben Sie sich vor der AfB-Gründung mit Koschnick beraten?

Nein. Ich habe ihn zwei Tage vorher ins Vertrauen gezogen. Ich habe aber nicht gefragt: Was meinen Sie dazu. Er hat gesagt: Da kloppst Du mir die SPD auseinander. Ob er glücklich darüber war oder nicht, das vermag ich nicht zu sagen.

Was ist Ihr wichtigstes Thema, wenn es um die Finanzkraft Bremens geht?

Die Förderung des Mittelstandes. Es ist völlig falsch, sich so stark auf Großbetriebe zu konzentrieren. Die Großen kriegen Subventionen, die zahlen keinen Pfennig Steuern. Die Steuern kommen von Einkommensempfängern und von den mittelständischen Betrieben. Da muß sehr viel mehr getan werden.

Was kann man tun?

Es darf auch nicht sein, daß immer mehr Besserverdienende ins Umland gehen und dort wohnen und Steuern zahlen. Attraktives Bauland muß zur Verfügung gestellt werden.

Der Wirtschaftssenator hat sich gegen den Vorwurf, daß es keine richtige Mittelstandsförderung gebe, heftig gewehrt. Was würden Sie konkret anders machen?

Ich würde mich stärker um die Betriebe kümmern und es nicht nur einer WFG, die sehr lahm ist, überlassen, ob ein Betrieb in Bremen ein Grundstück findet oder ins Umland gehen muß. Die Weinfirma Segnitz, zum Beispiel, über hundert Jahre in Bremen, bemühte sich drei, vier Jahre um ein neues Grundstück. Das hat nie geklappt. Dann ist sie nach Dreye gegangen, da hat man sie mit offenen Armen empfangen. Zuletzt ist der Bürgermeister gekommen und hat gefragt: Wie hieß das, wo Sie in Bremen Ihren Betrieb hatten? Ja, im Löwenhof. Da hat der Bürgermeister von Dreye gesagt: Dann nennen wir das hier auch Löwenhof.

Siemens kämpft seit zehn Jahren um sein Gewerbegebiet. Es gibt viele solche Beispiele.

Das Wirtschaftsressort wird von einem FDP-Senator geführt, der ähnlich denkt wie Sie...

Die FDP war auch zuviel mit sich selbst beschäftigt. Die hatte einen Senator, das war Herr van Nispen, und Herrn Jäger, der für Wirtschaft zuständig war und der profitiert hat von seinem Staatsrat Haller. Da sind viele Dinge im Gesamtsenat nicht durchgekommen.

Ist denn Haller ein so schlechter Staatsrat?

Nein, das ist ein sehr guter.

Warum hat der die Mittelstandsförderung nicht in Schwung bringen können? Er ist doch sogar Geschäftsführer der WFG!

Irgendwie hat das wohl in der Zusammenarbeit mit dem Senat nicht geklappt...

Aber die Ansiedlung eines Weinhändlers ist doch nicht Senats-Thema, Das kann doch Haller mit der WFG allein machen.

Die haben das einfach nicht geschafft.

Haben Sie mal mit Haller gesprochen und gefragt, warum das so schwer ist?

Habe ich nicht.

Es gibt da viele Fälle. Vitakraft, das liegt zwar schon Jahre zurück. Die haben schließlich in Achim gebaut auf einem Grundstück 30 Meter vor der Landesgrenze. Noch ist der Hauptsitz in Mahndorf.

Das macht mich immer ganz traurig: Solche wichtigen Betriebe werden einfach ins Umland gehen gelassen. Das habe ich schon bei Koschnick beanstandet. Der hat mich mal ordentlich angeschnauzt und gesagt: „Menschenskind, können Sie nicht mal über den Tellerrand gucken, das ist doch völlig egal, ob die hier oder im Umland sind.“

Gesamtwirtschaftlich gesehen wären es auch nur kleine Erfolge...

Ja, wenn wir nicht in Bremen wären, sondern ein Teil von Niedersachsen, dann wäre das völlig wurscht. Das ist das Problem der Stadtstaaten.

Verführt dieses Stadtstaaten-Prinzip zu einer gewissen Kleinkariertheit?

Natürlich, das könnte sein. Aber da geht der Eigennutz vor Gemeinnutz.

Ist das gut, wenn zwei Männer, die gemeinsam im Vorstand der Sparkasse waren, dann gemeinsam in eine Regierung gehen? Kann das nicht belastend sein? Soll man sowas nicht grundsätzlich vermeiden?

Ich sehe das nicht als Problem. Aber wir haben keine Koalitionsaussage für die CDU gemacht. Wir wollen eine grün-rote Koalition verhindern. Wir wollen koalieren mit dem Partner, der unseren Vorstellungen am nächsten kommt. Die sind klar: Vor allem Durchsetzung des Sanierungsprogramms.

Ich habe auch gesagt: Mit einem Wedemeier würde ich nicht zusammenarbeiten wollen. Unter seiner Regie ist diese ganze Misere entstanden.

Ja wollen Sie denn die Tine Wischer haben als Präsidentin des Senats?

(lacht) Neee. Aber es müßte doch auch in der SPD andere Persönlichkeiten geben.

An wen denken Sie?

Wenn Sie so fragen ... Es ist leider so, daß alle Parteien nicht stark gesegnet sind mit Persönlichkeiten. Das ist eine schlimme Sache in der ganzen Parteienlandschaft auch hier in Bremen.

Friedrich Rebers als Bürgermeister – könnten Sie sich an diese Vorstellung gewöhnen?

Das glaube ich nicht, das so etwas durchsetzbar wäre. Ich bin auch gar nicht angetreten, um eine neue Position einzunehmen. Ich bin angetreten als Demonstrant, als Rebell.

Das geht ja vielen so, daß sie eine Veränderung fordern und dann merken: Man muß es schließlich selber tun.

Jaja, soweit bin ich mittlerweile auch gekommen. Aber als Bürgermeister – das liegt sicherlich niemals drin. Da gibt es zwei große Parteien. Ich habe immer gesagt: Friedrich Rebers, es geht nicht um Dich, es geht um Bremen. Einer muß vorneweg die Glocke schwingen und dann sollen alle Unzufriedenen aufstehen. Und dann kommt es darauf an, wie der Wähler stimmen wird. Natürlich werde ich, wenn ich A gesagt habe und wenn ich dann in die Pflicht gerufen werden, auch dazu stehen.

Wir haben in den letzten Jahren viel geredet und zu wenig getan.

Fragen: K.W.

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