: Flaute bei den Ostermärschen
■ Nur ein paar Unentwegte beteiligten sich an den traditionellen Demonstrationen / Grünen-Politikerin sieht in ihnen Anachronismus / Im Osten gab es mehr Protest - allerdings gegen Bombenabwurfplätze
Die Ostermärsche der Friedensbewegung finden immer weniger Resonanz. Bis Ostermontag beteiligten sich bundesweit nur ein paar tausend Menschen an den Veranstaltungen unter dem Motto „Totalabsage an Rüstung und Krieg“. Eine Gesamtzahl nannte das Ostermarsch-Büro in Frankfurt nicht: „Wir berichten über Inhalte, nicht über Zahlen“, hieß es.
Die Bundestagsabgeordnete Andrea Fischer von Bündnis 90/Die Grünen sagte, die Ostermärsche seien keine zeitgemäße Aktionsform mehr. Die Aktivitäten hätten sich in den letzten Jahren auf sehr viele konkrete Einzelaktionen verlagert. Der umweltpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Müller, kritisierte Fischer als „Zensor der Friedensbewegung“.
In Baden-Württemberg fielen die Ostermärsche in diesem Jahr ganz aus. Die südwestdeutsche Friedensbewegung rief statt dessen zur Teilnahme an einer Demonstration am 6. Mai in Karlsruhe auf, um so an das Ende des Zweiten Weltkriegs zu erinnern.
Zu der Abschlußkundgebung in Frankfurt/Main kamen am Ostermontag nur etwa 70 Menschen – nach Angaben der Polizei. Das Ostermarsch-Büro gab sich ungebrochen und sah trotz der flauen Beteiligung die „Existenz einer lebendigen Protestbewegung gegen Krieg und Gewalt“. Dabei hatte sich schon zum Auftakt der Veranstaltungen am Karfreitag ein nachlassendes Interesse abgezeichnet. An den ersten Aktionen in sechs Städten nahmen laut Polizei nur wenige hundert Personen teil.
Der Osten war aktiver, auch in eigener Sache: Im brandenburgischen Fretzdorf demonstrierten immerhin rund 1.000 Menschen gegen einen Bombenabwurfplatz in der Ruppiner Heide, bei einem der größten Ostermärsche gegen einen „Umbau der Bundeswehr von einer Verteidigungsarmee zu einer weltweit operierenden Interventionstruppe“. In der Colbitz- Letzlinger Heide bei Magdeburg protestierten etwa 300 Menschen gegen Pläne der Bundeswehr, auf einem alten Truppenübungsplatz ein Laser-Gefechts-Übungszentrum einzurichten. Die Tradition der Ostermärsche hatte der britische Philospoph Bertrand Russell im April 1958 begründet. Unter seiner Leitung hatten sich damals etwa 10.000 Menschen in London versammelt, die gegen das 80 Kilometer entfernte Atomforschungszentrum Aldermaston demonstrierten. AP/dpa/taz
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