■ Wohnungsleerstand bekämpfen: Vernunft erzwingen
Wir wußten es schon immer. Schuld am Wohnungsleerstand sind die Wohnungssuchenden. Erst bekommen sie Kinder, oder sie lassen sich scheiden, und dann wollen sie alle auch noch eine Wohnung ohne Außenklo. So die weitverbreitete Begründung in der Wohnungswirtschaft zum Thema Wohnungsnot und -leerstand. Der Run auf die sonntäglichen Wohnungsbesichtigungen zeigt: Jedes Loch läßt sich noch losschlagen.
Doch nur mit deftigen Strafen scheinen einige Vermieter zur Vernunft gebracht werden zu können. 13.000 Mark soll eine Hausverwaltung in Tiergarten zahlen, wegen Zweckentfremdung von Wohnraum. In Friedrichshain langte das Bezirksamt per Gerichtsvollzieher sogar bei der städtischen Wohnungsbaugesellschaft in die Kasse, weil diese vier Wohnungen nicht vermietete. Spektakulär ist dies in jedem Fall, aber läßt sich damit das Problem lösen?
In Ostberlin wird gern darauf verwiesen, daß durch Rückübertragung und Notverwaltung die Sache komplizierter sei. Die eng kalkulierenden städtischen Wohnungsbaugesellschaften machen folgende Rechnung auf: Instandsetzung kostet sie mehr als der Mietausfall, also bleibt die Wohnung unbewohnt. Nach erfolgter Rückübertragung sehe man vom alten neuen Eigentümer keinen Pfennig. Dieser ist nicht verpflichtet, die Instandsetzungskosten zurückzuzahlen. Also bleiben nur die Töpfe der öffentlichen Hand, und die werden lieber in aufwendige Modernisierungen gesteckt. Viel zuwenig wird zur Kasse gebeten. Schließlich läßt sich mit Leerstand viel Geld verdienen. Die entgangenen Mieteinnahmen werden steuerlich abgeschrieben. Dank üppiger Gewinne, die sich abzocken lassen, wenn die Wohnungen später in Eigentumswohnungen umgewandelt werden. So kann man den Leerstand unter Umständen über Jahre durchhalten. Christoph Seils
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