Der Pleitegeier kreist über Lloyds

Nachdem der Versicherungskonzern zahlreiche Einleger nach einer Serie von Unfällen in den Ruin getrieben hat, steht er nun selbst kurz vor dem Aus / Einleger wollen nicht haften  ■ Von Ralf Sotscheck

Dublin (taz) – Nach 308 Jahren steht Lloyds vor dem Aus: Das illustre britische Versicherungsunternehmen sucht verzweifelt nach Strategien, um der Zahlungsunfähigkeit zu entgehen. Mehr als 60.000 Jobs stehen auf dem Spiel. „Der Aufsichtsrat untersucht sämtliche Aspekte der Unternehmensgeschäfte“, sagte Geschäftsführer Peter Middleton. „Entscheidungen hat es bisher nicht gegeben.“

Die neueste Krise ist durch die Rebellion vieler Einleger ausgelöst worden. Die 33.000 Einleger haften mit ihrem Privatvermögen für die Risiken – vom sinkenden Supertanker bis zum gebrochenen Fußballerbein. Je größer das Risiko, desto höher ist freilich auch die Dividende. Bis Ende der achtziger Jahre ging das auch gut, hübsche Profite waren ihnen damals sicher.

Doch dann ging es Schlag auf Schlag: Die Explosion der Bohrinsel „Piper Alpha“, die europaweiten Sturmschäden und die Exxon- Valdez-Ölkatastrophe vor der Küste Alaskas führten dazu, daß Lloyds in den vergangenen fünf Jahren rund neun Milliarden Pfund Verluste eingefahren hat.

Geschätzt wird, daß etwa 9.000 Einleger daran pleite gegangen sind. Hinzu kommt, daß viele andere die Zahlung verweigern, weil sie behaupten, daß die bei Lloyds zusammengeschlossenen Syndikate sie nicht genügend über die Risiken aufgeklärt hätten. Bis zur gerichtlichen Entscheidung können sie zur Zahlung nicht gezwungen werden. Auch zahlreiche Rückversicherer stehen aufgrund der Unglückskette vor der Pleite und können ihren Verpflichtungen gegenüber Lloyds nicht nachkommen. Um Panik auf den Versicherungsmärkten zu vermeiden, veröffentlichte der Lloyds-Vorsitzende David Rowland am Montag eine Presseerklärung, in der er abstritt, daß Lloyds vor dem Bankrott stehe. Für die Einleger gilt diese Zuversicht freilich nicht. Die Bilanz für 1992, die Ende der Woche mit der traditionellen zweijährigen Verspätung herauskommt, wird „unsere Mitglieder und unseren Zentralfonds abermals erheblich belasten“, sagte Rowland. Der Zentralfonds, der intern „Notgroschen für Regentage“ heißt, ist durch die Serie von Unglücken nahezu ausgeschöpft.

Dennoch ist Rowland optimistisch, die Finanzprüfung des Handelsministeriums im Herbst zu bestehen. Experten gehen jedoch davon aus, daß Lloyds im nächsten Jahr vom Ministerium dichtgemacht wird, wenn jetzt nicht radikale Schritte eingeleitet werden. Dazu gehört eine außergerichtliche Einigung mit den Einlegern, die einen Teil der Milliardenverluste zurückfordern, die Lloyds ihnen eingebrockt hat.