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Breughels Alte ruft: „Fuck you!“

Voller Löcher und Lachritzen: Der bulgarische Konzept-Künstler Nedko Solakov hat im Studio 1 des Künstlerhauses Bethanien Kunstgeschichte als eitles Theater nachgebaut  ■ Von Liljana Georgieva

Nedko Solakov – für seine Gemeinde einfach Nedko – handhabt Raum und Zeit so souverän, als wären sie Collagematerial. Selten findet der kritische Blick des bulgarischen Künstlers in der Realität etwas, was seine „Richtungstellung“ nicht braucht. Ob Natur, ob vom Menschen Geschaffenes – überall sieht er Fehlversuche, und reagiert, indem er einen zerdrückten Schulglobus wie auf den Müll geworfen zeigt. Er steht für ein Land, das sich jahrzehntelang „wie ein Loch auf dem Planeten benommen hat“, wo nur der Blick Richtung Osten gegeben war.

Diese Installation, zusammen mit Installationen zweier anderer Bulgaren, zeigte Solakov unlängst auf der Biennale in São Paulo (gemeinsames Motto: „Instability“). Für Solakov sind die Verfehlungen zum lachen, und sein Lachen reicht von Jokes bis zu schwarzem Humor, vom gewollt unbedarften Witz bis zur logistischen Satire. Intelligenztest? Vor allem fun.

Jetzt ist Nedko nach Berlin zurückgekehrt, seit einem Jahr wohnt und arbeitet er im Bethanien als Stipendiat der Philip Morris Fundation. Nach Ausstellungen, mit denen er von Chicago über Venedig und Budapest bis Istanbul gereist ist, hat er hier das Projekt „Mr. Curator, please...“ verwirklicht. Solakov verstrickt die Besucher in eine Geschichte der Kunst, die noch von Aura und Kirche geleitet war. Dafür nimmt er das Kernstück des Hauses in Anspruch – die ehemalige Kapelle. Es ist eine perfekt ortsspezifische Installation, man wird buchstäblich auf einen Rundgang durch den gesamten architektonischen Komplex geschickt.

Und nun geht es los, wie am Eingang der Riesenhalle per Zeichenhand in Schwarz beschrieben: Ein Kunstwettbewerb ist im Gange. Als Kandidaten sind sieben Giganten in alphabetischer Reihenfolge nominiert: Bosch, Breughel, Dürer, Leonardo, Michelangelo, Rubens und J. van Eyck. Es soll zudem einen jungen smarten Kurator geben. „A group of very, very rich people... (because of sentimental reasons)“ hat ihn beauftragt, unter den Werken dieser Größten ein Altarstück auszuwählen. Nun steht der Schreibtisch des Kurators mitten in der oberen Galerie, nur über Treppen erreichbar. Ein Kommandopult. Die ganze Beleuchtung ist jedoch auf das Altarproszenium gerichtet, auf dessen weißen Quader das beste Kunstwerk gestellt werden soll.

Aus den künstlerischen Wettstreitern werden auf Solakovs Konzeptbühne Feinde. Wessen Stück wird genommen? Nimm mich, Mr. Curator, please! Um die Konkurrenz auszustechen, sind alle Mittel recht. Geisterstimmen dringen aus Lautsprechern, nerven mit Geflüster, Eigenwerbung und Verbalattacken gegen den Kurator. Der Künstler/Kurator Solakov allerdings ist verschwunden, statt dessen zeigt ein Diaprojektor auf dem Schreibtisch, wie Meisterwerke sich in rasender Geschwindigkeit abwechseln.

Ein Videofilm (Dauer: „78 minutes and 3 ghostly seconds“) dokumentiert derweil Kunstattentate. Das Museum als Horrortrip, wo in ehrwürdigen Ausstellungshallen geritzt, gestochen und geschändet wird. Natürlich muß das nicht echt sein, mitunter reicht die Illusion, so wie bei einem nachgestellten Duell von Rubens und Dürer, in dem Solakov den Flamen sagen läßt: „Ich bin der größere Maler, weil nach mir die längere Straße benannt ist!“

Fiktion und Wahrheit in multimedialer Dichte. Die hintere Wand der Kapelle oberhalb der Galerie umfaßt in der Form eines riesigen schwarzen Portals eine abgedunkelte Multi-Triptychon- Assemblage zum Leben und Werk der hohen Wettbewerbskünstler. Was dahintersteckt, Verbürgtes oder nur Phantasiertes, alte oder neue Witzeleien, muß der Besucher selbst entschlüsseln. Dafür wird man mit einer Taschenlampe ausgerüstet, die an einer ziemlich kurzen Strippe hängt. Der Künstler hat sein Publikum kurz angebunden. So sieht man Breughel in Plastik-Säcklein, in Puzzle-Schnipsel zerlegt; in perfider Freude hat Solakov die Puzzles mit winzigen bunten Schlangen garniert. Wohl in Verteidigung ihres Schöpfers scheucht uns Breughels bekannte Alte mit Haube „Fuck you!“ rufend von den Säckchen weg.

Auf Tritt und Schritt entdeckt man Risse und Brüche im Gemäuer der Vergötzung der Kunst und der Kunstmacher. Durch tausend Lachritzen, die der Künstler öffnet, entschlüpft man in Welten, von denen jede den Anspruch erhebt, die bestmögliche zu sein.

Aber zurück zur Story: Noch immer ist der Altar ja „leer“ geblieben. Er war als Podest gedacht, und da der Kurator verschwunden ist, kann auch kein solches gewählt werden. Doch hier gibt Solakov der Geschichte eine Wende und reißt uns den Schleier von den Augen. Nachdem die großen Idole entlarvt und zertrümmert sind, muß sich die Sehweise ändern: Was wir fürs Podest hielten, ist – das Kunstwerk selbst. Plötzlich sehen wir den Altar in dem gleißenden Licht klarer Schönheit, die keine Vervollständigung braucht. Wir fühlen uns harmonisch eingebettet in der Kapelle, im gesamten Bau des Bethanien, wo Solakov konzeptuell die Bilder gestürzt hat.

Mr. Curator, please..., bis 14. 5., Mariannenplatz 2.

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