: Tet-Offensive in Berlin
■ Vietnamesen lieferten sich Straßenschlacht mit Polizei Verein "Reistrommel": Polizei für Eskalation verantwortlich
Bei einer Straßenschlacht zwischen mehr als 100 Vietnamesen und der Polizei sind in Berlin 25 Beamte und mindestens sieben Vietnamesen verletzt worden. Die Krawalle hatten in der Nacht zum Freitag bei einer Razzia in einem Ausländerheim im Ostberliner Bezirk Hohenschönhausen begonnen, so die Angaben der Polizei. Am Freitag morgen wurde im Bezirk Friedrichshain zudem ein Vietnamese unabhängig von diesen Krawallen von der Polizei angeschossen. Der Polizist habe sich verteidigen müssen, weil er mit einem Messer angegriffen wurde, erklärte Innensenator Dieter Heckelmann (CDU).
Bei den Ausschreitungen setzte die Polizei Tränengas und mehrfach den Schlagstock ein. Vietnamesen sollen Steine und Flaschen geschleudert haben. Zudem wurden die Beamten mit „Hausgeräten wie Mikrowellen, Kochtöpfen und Feuerlöscher aus den Wohnblöcken heraus gezielt“ angegriffen, so die Polizei. Sechs Vietnamesen wurden festgenommen.
Wie die Polizei mitteilte, wurden die Krawalle ausgelöst, als ein Vietnamese bei der Razzia, die sich gegen Lebensmittelhandel richtete, plötzlich zusammenbrach. Danach hätte sich „die Welle der Gewalt“ ausgelöst. Dagegen erklärte das Bündnis 90/ Die Grünen, Zeugen hätten ausgesagt, daß der Vietnamese zuvor von Polizisten vor dem Einsatzwagen geschlagen worden sei. Augenzeugenberichte, die bei der Organisation „Reistrommel e.V.“ eingingen, bestätigten die Angaben von Bündnis 90/ Die Grünen. Danach sei der Vietnamese bewußtlos vor dem Einsatzwagen der Polizei zusammengebrochen. Die umstehenden Landsleute hätten angenommen, der Mann sei sogar gestorben. Diese Nachricht verbreitete sich im Wohnheim wie ein Lauffeuer, worauf Flaschen flogen. Nach Meinung von „Reistrommel“-Mitarbeitern habe das gewalttätige Vorgehen der Polizei die Eskalation ausgelöst. Die Vietnamesen seien verängstigt in Panik geraten. Zur Zeit liegt der Vietnamese mit Kopf- und Armverletzungen im Krankenhaus.
Nach Einschätzung der Bündnisgrünen wurden bei den Krawallen mindestens sieben Vietnamesen verletzt. Auch ein Kind sei mit einer Kopfverletzung in eine Klinik gebracht worden. Ein Mann habe einen Herzanfall durch Schock erlitten. „Es wurden nach bisherigen Erkenntnissen mindestens zwei Leute zusammengeschlagen“, sagte Sozialarbeiter Magnar Hirschberger, der für den Verein vor Ort war.
Bei Kontrollen von Zigarettenhändlern hatte es schon des öfteren Auseinandersetzungen zwischen Vietnamesen und der Polizei gegeben. Im letzten Jahr waren schwere Vorwürfe gegen mehrere Dutzend Beamte erhoben worden, die Vietnamesen mißhandelt haben sollen. Hier wurden inzwischen mehrere Anklagen erhoben, die Verfahren aber noch nicht abgeschlossen.
Heckelmann forderte die Abschiebung von straffällig gewordenen Vietnamesen. Viele der in Berlin lebenden Vietnamesen seien in mafiaähnliche Strukturen eingebunden, die sich immer mehr verfestigten. Die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen protestierte „gegen den brutalen Polizeieinsatz“. Es gebe erhebliche Bedenken gegen die Zulässigkeit des massiven Vorgehens der Polizei, vor allem dem Einsatz von Tränengas in geschlossenen Räumen. taz/dpa
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