Sanssouci
: Nachschlag

■ "Welche, von den Frauen?" - theater 89 spielt Matusche

Mit dem kühnen Vorsatz, eine Komödie zu schreiben, kehrt ein Dichter 1945 nach Deutschland zurück. Er war 1933 emigriert, hatte in Spanien gekämpft, dann in den USA Leichen gewaschen. Verständlicherweise hat sein Sinn für Humor etwas gelitten, sein moralisches Empfinden indessen nicht. Vor lauter Ekel, der ihn angesichts des notorischen deutschen Mitläufertums befällt, kommt er nicht zum Komödienschreiben. Nebenbei soll er auch beim Aufbau des örtlichen Rundfunks helfen, und da versucht er, Gutes zu tun, indem er Altnazis schmäht und hohe Positionen mit Überlebenden der KZs besetzt. Der Dichter leidet. Er beruhigt sich mit Alkohol und mit dem Griff an weibliche Hinterteile. Aber das hält nie lange vor. Erst kurz bevor er stirbt, beginnt er, an den Optimismus zu glauben, denn: „Wer froh stirbt, lebt weiter.“

Aufrechtes O-Mensch-Pathos vermengt sich in diesem Stück von Alfred Matusche mit einer klamottenhaften Parade von schuldverdrängenden Spießern und Spießerinnen der unmittelbaren Nachkriegszeit. „Welche, von den Frauen?“ wurde 1952/53 geschrieben und 1979 in Schwedt uraufgeführt. Das theater 89 widmet sich derzeit der Wiederentdeckung des Werks von Matusche, der vor 22 Jahren in Karl-Marx-Stadt starb und dessen unparteiliche, wahrheitssucherische Stücke in der DDR keine Anerkennung fanden. Nach dem „Regenwettermann“ inszenierte Hans-Joachim Frank jetzt das erste Theaterstück Matusches, und zwar aushäusig, im Theater am Halleschen Ufer. Über zwei Dutzend Personen verneigen sich am Ende, was zu Hause in der Torstraße schichtweise hätte geschehen müssen – zu viel mehr wird die neue räumliche Großzügigkeit denn aber auch kaum genutzt. Anne-Kathrin Hendel hat mit einem schräg nach hinten verlaufenden Arkadengang zwar ein Außen und ein weitläufiges Innen geschaffen, in den einzelnen Szenen drängen sich die DarstellerInnen aber doch zumeist um die zwei, drei rampennah plazierten Requisiten, die die jeweilige Episode erfordert.

Hans-Joachim Frank karikiert einen Volkskomödienton und läßt Frank Köbe als Dichter wie ein nörgeliges Riesenbaby quäkend durchs Geschehen tapsen. Das ist alles immer etwas zu laut, zu grell, zu munter, zu tapfer, zu doof, zu moralisch. Vielleicht fürchtete der Regisseur das Pathos, aber solch ein gekünstelter Realismus strengt doch sehr an, und die offenbar programmatische Ironie, diesen Stoff zur Hochzeit termingebundenen Gedenkens nur als affairenreiches Boulevardstück zu zeigen, ist nicht ganz einsichtig. Nur Johannes Achtelik findet einen anderen Ton. Auf kothurnhohen Sohlen spaziert er herum und verbreitet jene leicht amüsierte Distinguiertheit, die so beunruhigend wirkt, weil sie auf ein Vorleben verweist. Petra Kohse

Bis 17.5., 20 Uhr, theater 89 im Theater am Halleschen Ufer (32)