„CDU im jetztigen Zustand ist chancenlos“

■ Einen Wahlsieg sagt Meinungsforscher Manfred Güller von Forsa der SPD in NRW voraus / Egal was Johannes Rau macht, von der CDU droht keine Gefahr

Seit 28 Jahren regiert in Nordrhein-Westfalen die SPD. Im Wahlkampf spricht kaum einer von Sachpolitik, die Genossen setzen voll auf das Zugpferd Johannes Rau, dessen Konterfei überall klebt. Die CDU propagiert die Angst – „160 Straftaten in einer Stunde“ prangern sie auf Bierdeckeln und Plakaten an. Die FDP ist nur noch eine „taktische Komponente“.

taz: Herr Güllner, die CDU zeichnet ein Schreckbild der steigenden Kriminalität in NRW. Glauben Sie, daß die bei Meinungsumfragen immer noch mit weit unter 40 Prozent gehandelte Partei mit diesem Thema noch etwas zu ihren Gunsten bewegen kann?

Manfred Güllner: Nein, überhaupt nicht. Mir scheint eine solche Kampagne im Gegenteil eher kontraproduktiv zu sein, weil die Bürgerinnen und Bürger ja erwarten, daß Politiker und Parteien sich um die Vielfalt der Probleme im Lande kümmern. Eine Partei, die den Eindruck erweckt, sie konzentriere sich auf ein Thema, hat überhaupt keine Chance – wie wichtig das eine Thema für die Leute auch sein mag. Die CDU hat ja schon bei der Frankfurter Kommunalwahl 1989 ähnlich agiert und mit dem Ausländerthema, mit der Angst vor „Überfremdung“ Stimmen zu gewinnen versucht. Das ist ihr auch damals mißlungen.

Die Angst vor Kriminalität ist weit verbreitet, könnte es diesmal nicht doch anders kommen?

Nein, wir werden hier ähnliches erleben, weil die CDU insgesamt in der Bewertung der Bürger so schwach ist, daß man ihr nicht die Kompetenz zutraut, die Verantwortung zu übernehmen.

Aber bei der Kriminalitätsbekämpfung trauen die Wähler der CDU doch mehr zu als der SPD.

Wenn man einzelne Politikbereiche abfragt, bekommt man zwar differenzierte Urteile über die Detailkompetenzen der Parteien, aber wenn es um die Wahlentscheidung geht, bildet sich ein Gesamtbild der Partei heraus; das fällt für die CDU in NRW und ihren Spitzenkandidaten extrem negativ aus. Man traut der Union Nordrhein-Westfalens absolut nichts zu.

Im Vergleich zu den anderen Parteien hat die CDU mit ihrer Kampagne aber gewiß die größte Aufmerksamkeit erreicht.

Die Leute durchschauen doch, daß die CDU versucht, mit diesem Thema – quasi als Trick – von ihrem Negativbild weg zu kommen und empfinden das als Verzweiflungstat.

Inwieweit läßt sich überhaupt durch eine Wahlkampagne das für die SPD so günstige Meinungsklima in NRW verändern?

Der Wahlkampf dient vor allem dazu, den Wahltermin ins öffentliche Bewußtsein zu bringen und die eigenen Anhänger zu mobilisieren. Wir wissen ja, daß noch vor Ostern nur ein Drittel der Bürgerinnen und Bürger von der Landtagswahl wußte. Großartige Wählerbewegungen sind durch Wahlkämpfe allein nicht zu initiieren, schon gar nicht durch die NRW- CDU, die sich erst einmal von der klerikalen Milieupartei zu einer Volkspartei entwickeln muß; daran müßte die nordrhein-westfälische CDU langfristig arbeiten. In ihrem jetzigen Zustand ist sie chancenlos, egal welchen Wahlkampf sie führt.

Die Sozialdemokraten sind nervös. Man fürchtet offenbar um die absolute Mehrheit.

Aber nicht wegen der CDU. Die Gefahr für die SPD besteht allein darin, daß sich aus der großen Zustimmung für Rau eine gewisse Lethargie entwickelt und manche Rau-Anhänger erst gar nicht zur Wahl gehen, weil sie davon ausgehen, daß ihr Wunschkandidat ohnehin gewinnt. Das unterscheidet diesen Wahlgang ein bißchen von früheren Landtagswahlen.

Fliegt die FDP raus?

Die FDP hat auch bei der Bundestagswahl gezeigt, daß sie noch taktische Wähler auf ihre Seite ziehen kann. Tendenziell liegt die FDP aber eher unter fünf Prozent, doch es kann sein, daß sie erneut CDU-Wähler gewinnt, die sich davon eine Stabilisierung des bürgerlichen Lagers erhoffen. Interview: Walter Jakobs