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Immer zum Schutz der Patienten -betr.: "Viele Menschenversuche ohne Kontrolle" und "Ärzte-Klüngel", taz v. 2.5.1995

Betr.: „Viele Menschenversuche ohne Kontrolle“ und „Ärzte-Klüngel“, taz v.2.5.

Die beiden Beiträge enthalten Unrichtigkeiten und Unterstellungen, denen widersprochen werden muß. Das Wichtigste vorweg: Prüfungen von Arzneimitteln an Menschen sind notwendig, weil es sonst keine zuverlässigen Nachweise über Sicherheit und Wirksamkeit von Medikameten gäbe. Ebenso notwendig sind Ethikkommissionen, die derartige Prüfungsanträge unter medizinischen, biometrischen, juristischen und am Patientenschutz orientierten Gesichtspunkten auf ihre ethische Vertretbarkeit hin zu beurteilen haben. Ohne den ärztichen Sachverstand möglichst aller einzelnen Fachgebiete lassen sich die entsprechenden Feststellungen nicht treffen. „Patientenschutzkommissionen“ mit „PhilosophInnen“ und Mitgliedern weiterer Berufsgruppen unter Mitwirkung von „ÄrztInnen“ als „wissenschaftlicher Beirat ohne Stimmberechtigung“ würden die ärztlichen Mitglieder nicht genügend in die Pflicht nehmen und außerdem die Wissenschaftlichkeit der anderen Disziplinen in Frage stellen.

Zur zahlenmäßigen Gewichtung der verschiedenen Disziplinen bzw. Interessentengruppen gibt es naturgemäß keine ein für allemal feststehende Lösung. Nicht zu realisieren ist allerdings die Forderung nach einer paritätischen Besetzung. Die Ethikkommission ist keine Einigungs- oder Schlichtungsstelle, vor der sich zwei Kontrahenten gegenüberstehen. Eine angedeutete Drittelparität – „ÄrztInnen, PatientenvertreterInnen und Frauen“ – ist ebenso absurd wie die Frontenbildung zwischen medizinischen und nichtmedizinischen Mitgliedern.

Nach der 8jährigen Amtstätigkeit der Ethikkommission, während der ich ihr Vorsitzender war, läßt sich insgesamt nicht belegen, daß die ärztlichen Mitglieder den Prüfungsvorhaben willfähiger gegenüberstanden als die übrigen Kommissionsmitglieder. Des öfteren sind allerdings bei den Anträgen marktwirtschaftliche Interessen der pharmazeutischen Hersteller deutlich geworden. Die Kommission hat dies in aller Regel geschlossen kritisiert, wie sich andererseits bei schwierigen Fragen, z.B. der erwähnten Überprüfung von Wachstumshormonen, unterschiedliche und differenzierte Meinungen ergeben haben. Die Bemerkung, daß von 25 Anträgen des Jahres 1994 nur 4 abgelehnt worden seien, tagt in keiner Weise zur Qualitätsbeurteilung der Kommissionsarbeit. Darüber hinaus läßt die Darstellung außer acht, daß weitere 5 zur grundsätzlichen Überarbeitung zurückgegeben und die Voten bei 13 Anträgen mit Auflagen versehen wurden. In den vorhergehenden Jahren war die Mängeliste zum Teil größer; so wurden von den 41 Anträgen des Jahres 1992 13 endgültig abgelehnt und 17 für überarbeitungsbedürftig gehalten. Im einzelnen wird auf die „veröffentlichen“ Jahresberichte seit 1987 verwiesen. (...)

Die stets ehrenamtlich tätig gewordene Ethikkommission legt Wert auf die Feststellung, daß sie sich als ein konsequent unabhängiges Fachgremium zum Schutz der Patienten und zur Förderung der Wissenschaft im Arzneimittelbereich versteht. Dr. R. Großmann, Vorsitzender Ethikkommission

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