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CDU übertrifft SPD im Pöstchengekungel

■ Bremerhavener Magistrat lieber doch nicht verkleinern / CDU-Kandidat mit Nazi-Freunden

Was schert uns unser Geschwätz von gestern – unter diesem Motto profiliert sich Bremerhavens CDU dieser Tage gegenüber der SPD als die noch bessere Filzpartei. Nachdem insbesondere CDU-Fraktionschef Rolf Stindl aus der Opposition heraus jahrelang die Verkleinerung des aufgeblähten Bremerhavener Magistrats gefordert und dabei vor allem den Posten des für Umwelt und Gesundheit zuständigen Stadtrats Hermann Renken zur Streichung vorgeschlagen hatte, hat er jetzt eine Wende um 180 Grad vollzogen.

„Die Stelle soll wieder ausgeschrieben werden“, forderte Stindl gestern, nachdem durch Renkens überraschenden Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen die langersehnte Einsparchance endlich gekommen schien. Immerhin war Stindl damit gestern der Bremerhavener Empörung über seine Äußerung von vorgestern gerecht geworden. Am Dienstag nämlich hatte der CDU-Fraktionsvorsitzende noch erklärt, für die Wiederbesetzung von Renkens Stelle sei eine öffentliche Ausschreibung eigentlich unnötig. Schließlich gebe es zur Zeit „genug qualifizierte Bewerber“ in Bremerhaven. Die hatten sich allerdings nicht als Umwelt-Stadtrat, sondern auf die ebenfalls zur Wiederbesetzung anstehenden Posten des Oberbürgermeisters und Bürgermeisters beworben.

Stindl hat mit seiner Wende jetzt nachvollzogen, was im Beamtengesetz sowieso zwingend vorgeschrieben ist: die öffentliche Ausschreibung dieses, mit rund 160.000 Mark im Jahr bestens dotierten Postens. Ausschreibung hin oder her – auf jeden Fall bietet die Vakanz von drei Magistratsposten jetzt für CDU und SPD-Fraktion wieder einen größeren Spielraum für ihr Pöstchengekungel. Wen die CDU dabei oben sehen möchte, hat ihr stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Paul Bödeker am Dienstag ausgeplaudert: seine Parteifreunde Burghard Niederquell oder Ernst-Ulrich Pfeifer.

Pfeifer war vor seiner 1991 angetretenen schnellen Karriere im Innenministerium von Sachsen-Anhalt kein Unbekannter in Norddeutschland. Als langjähriger Stadtdirektor von Rotenburg/Wümme war er vor allem am rechten Rand der CDU gesichtet worden. So gehörte er zum Beispiel zu den Förderern der „Stillen Hilfe“, eines als gemeinnützig anerkannten Vereins zur Unterstützung inhaftierter NS-Verbrecher. Mit Spendeneinnahmen zwischen 200.000 und 300.000 Mark pro Jahr unterstützte die „Stille Hilfe“ Altnazis wie Ferdinand Hugo aus der Fünten, SS-Hauptsturmführer und einer der Hauptverantwortlichen für die Deportation von über 100.000 Juden aus den Niederlanden, Franz Fischer, ein für seinen Sadismus berüchtigter SS-Sturmbannführer, oder Viktor Arays, den 1979 wegen gemeinschaftlichen Mordes an 13.000 Menschen zu lebenslanger Haft verurteilten Anführer eines lettischen Sonderkommandos.

Pfeifer, auf einer Sitzung des Rotenburger Stadtrats auf seine Kontakte zu der Altnazi-Organisation angesprochen, erklärte im Januar 1991 lapidar: „Ich habe im letzten Jahr zu einem rechtlichen Problem die Stille Hilfe beraten. Ich habe meine Rechtsauffassung geäußert. Dabei hat es sich um ein persönliches Gespräch gehandelt.“ Pfeifers Rotenburger Parteifreund Hans-August Bülck erledigte damals ehrenamtlich die Büroarbeit der „Stillen Hilfe“.

Im Bremer CDU-Landesverband ist seit Jahren beim Thema Bremerhaven die abwehrende Handbewegung der typische Reflex. „Da mischen wir uns nicht ein“, sagte denn auch gestern Landesgeschäftsführer Helmut Pflugradt zur Kehrtwende der Seestadt-Partei in Sachen Magistratsgröße, „die werden das schon vernünftig regeln.“ Ase

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