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Frauenrevolte in der Männerpartei

■ CDU setzt nur sechs Frauen auf sichere Listenplätze / Frauenunion: „An Frauenquote führt kein Weg mehr vorbei“

Die Männer in der CDU haben bei der Aufstellung ihrer rund 180 Kandidaten zur Abgeordnetenhauswahl alle guten Vorsätze vergessen und die Frauen von aussichtsreichen Listenplätzen verdrängt. Bei einem durchschnittlichen Wahlergebnis kämen von den 23 Bezirkslisten „überhaupt nur sechs Frauen“ ins nächste Parlament, sagte gestern die Abgeordnete Cordula Kollotschek auf Anfrage.

Nur in den Bezirken Reinickendorf, Spandau und Marzahn ist eine Frau auf Platz eins. Kreuzberg und Prenzlauer Berg haben gar keine Frauen aufgestellt, in Tempelhof ist eine Frau auf Platz 10 nominiert, in vier weiteren Bezirken tauchen frühestens ab Platz fünf weibliche Parteimitglieder auf. Die Vorsitzende der Berliner Frauenunion und Bundestagsabgeordnete, Wilma Glücklich, kündigte an, den am Samstag in einer Woche stattfindenden Landesparteitag mit dem Thema zu befassen: „Jetzt führt kein Weg mehr an einer Frauenquote vorbei.“

Die Frauenunion hatte im Vorfeld der Kandidatenaufstellung eine Liste mit den Namen weiblicher Mitglieder aufgestellt. 217 Namen kamen zusammen, die nach Meinung der Frauenunion für Bezirksverordnetenversammlungen und das Abgeordnetenhaus, für Stadtrats-, Staatssekretärs- und Senatorenposten qualifiziert sind. „Wir wollten beweisen, daß es inzwischen in der CDU auf allen Ebenen weiblichen Nachwuchs gibt“, erläuterte Glücklich den Hintergrund der Liste.

Daß in der kommenden Legislaturperiode in einer 60- bis 70köpfigen CDU-Fraktion nur jedes zehnte Mitglied eine Frau sein werde, lastete Glücklich den männlichen Konkurrenten an: „Wo die Macht ist, sind sich Männer immer einig.“ Sie machte insbesondere die Kreisvorstände für die Benachteiligung von Frauen verantwortlich, denn diese haben die Kandidatenvorschläge für die Bezirkslisten ausgearbeitet. Landesvorsitzender Eberhard Diepgen hingegen habe sich für die Frauen eingesetzt – erfolglos.

Unter CDU-Frauen ist die Empörung so groß, daß es im Vorfeld des Landesparteitags bereits Forderungen geben soll, in den 19 Bezirken mit männlichem Spitzenkandidaten den ersten Platz für eine Frau frei machen zu lassen. Doch die Vorsitzende der Frauenunion war sich gestern sicher, daß solch ein Vorschlag nichts bewirken werde. Sie werde sich jetzt im Bundesvorstand der Frauenunion für die Einführung einer Quote einsetzen, zumal Berlin kein Einzelfall sei.

Glücklich hofft dabei auf die Unterstützung von Bundeskanzler und Parteichef Helmut Kohl. Auf dem Bundesparteitag Ende November in Bonn hatte er sich für eine Frauenquote in dem Fall ausgesprochen, daß Männer Frauen freiwillig keinen Platz machen.

Abgeordnete Kollotschek hatte sich in der Vergangenheit gegen eine Frauenquote ausgesprochen. Sie sei immer der Meinung gewesen, „Qualität setzt sich durch“. Im Gegensatz zu früheren Jahren könne damit nicht mehr argumentiert werden, es gebe in der Partei keinen weiblichen Nachwuchs. Und trotz anderslautender Versprechungen habe es diesmal die „gleichen Herrschaftsmechanismen wie immer gegeben“. Männer hätten über Jahrzehnte eine Hausmacht aufgebaut und würden diese ohne Rücksicht auf Verluste nutzen. In der jetzigen 100köpfigen Fraktion sei noch jedes fünfte Mitglied eine Frau, doch da es durch die Parlamentsverkleinerung auch für die CDU weniger Mandate geben wird, hätten die Männer mit umso härteren Bandagen gekämpft.

Deshalb unterstützt sie jetzt die Einführung einer Frauenquote: „Wenn es nur über Gewalt geht, und eine Quote ist Gewalt, müssen wir das tun.“ Dirk Wildt

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