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Lauter folgenlose Versuche?

■ betr.: „Jetzt oder nie“, Ökolumne von Jürgen Voges, taz vom 6./7. 5. 95

Lieber Jürgen Voges, Du sagst: Alle Versuche von rot-grünen Landesregierungen, einzelne Reaktoren stillzulegen, bleiben folgenlos. Du scheinst selten die Liste der hierzulande errichteten AKWs daraufhin durchzugehen, ob sie gerade nicht in Betrieb sind und warum. Tu das mal, dann könntest Du merkwürdige Beobachtungen machen!

Du nennst die AKWs Stade und Krümmel. Sicherlich wäre es falsch, dem Bundesland Niedersachsen zu unterstellen, es habe je ernsthafte Versuche unternommen, das AKW Stade stillzulegen.

Zu den Schwierigkeiten der schleswig-holsteinischen Landesregierung, die Leukämieerkrankungen in der Elbmarsch als Stillegungsgrund für Krümmel zu benutzen, sollte man den Bremer Wissenschaftler zu Wort kommen lassen, der zwar darunter zu leiden hat, daß er in der Öffentlichkeit angegriffen wird, er habe in seinem Gutachten die Leukämieerkrankungen auf Krümmel zurückgeführt. Prof. Geis hat vielmehr immer daran festgehalten, einen Zusammenhang mit Krümmel belegten seine Untersuchungen nicht, er sehe eher andere Verursacher als das AKW und denen müsse nachgegangen werden. Auf eine bloße, wenn auch immer wiederholte Vermutung hin könnte selbst die gutwilligste Landesregierung keine AKW-Betriebsgenehmigung entziehen.

Sehen wir woanders hin.

Still liegt seit längerer Zeit das AKW Mülheim-Kärlich. Gerade hat sich alle Welt darüber mokiert, daß eine SPD-geführte Landesregierung dazu verurteilt worden ist, die Hälfte des Kapitalverlusts zu tragen, der durch den Stillstand verursacht ist, weil eine frühere, von der CDU geführte Landesregierung den Genehmigungsschwindel mitgemacht hat.

Ebenfalls schon etwas länger liegt der Siedewasserreaktor Brunsbüttel still. Der Landesregierung von Schleswig-Holstein sind schon mehrfach Risse als Gründe eingefallen, eine neue Genehmigung zu verweigern. Ich habe vorhin nicht erwähnt, von welcher Partei dort die Landesregierung gestellt wird, aber das ergibt sich im Zusammenhang ja von selbst.

In Nordrhein-Westfalen sind zwar nächstens Landtagswahlen. Trotzdem läßt sich nicht von der Hand weisen, daß es Günther Einert vom NRW-Innenministerium ernst war, als er sagte, seinem Dafürhalten nach sei „Würgassen in einen neue Betriebsphase eingetreten“, nämlich die des Nichtmehrangefahrenwerdens, weil der PREAG die notwendigen Reparaturen finanziell und politisch zu teuer werden könnten. Noch hat dieses Bundesland eine SPD-Landesregierung.

Man darf auch ruhig Biblis B erwähnen, das zur Zeit stilliegt, weil die Genehmigungsbehörde erst mal noch keinen Grund gesehen hat, dem RWE nachzugeben. Daß Hessen rot-grün regiert wird, wer weiß das nicht?

Daß Du die nächste interessante Nachricht beim Schreiben Deines Textes noch nicht kennen konntest, sei entschuldigt. Gestern, am 5. Mai 1995, konnte ich leider nicht in der taz, sondern nur in der FR lesen, daß dasselbe hessische Umweltministerium beabsichtigt, den Nachbarreaktor Biblis A nach der Revision nicht mehr ans Netz gehen zu lassen.

Alle Informationen, auf die ich mich hier stütze, kann man durch bloßes aufmerksames Zeitunglesen gewinnen. Lauter folgenlose Versuche? Mir kommt es eher so vor, als seien das alles Erfolge, die auf wirkungsvollen Druck von AKW-Gegnern zurückzuführen sind. Anna Masuch, AK Atom der

Bürgerinitiative Umweltschutz

Hannover

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