1 x Pommes mit Sehnsucht

■ Bezaubernde Jeannie zwischen Hauptbahnhof und Frauenkirche: Cora Frost & Orchester gastieren zum zweiten Mal mit dem „Starimbiß“ im Jungen Theater

Von ferne konnten BremerInnen am Mittwoch abend die sinnlichen Türme der Münchner Frauenkirche am Nordhimmel sehen. Cora Frost hat „die riesigen Titten“ im Jungen Theater herbeigesungen. Fast glaubte man, in einer Rotlichtbar zwischen Münchner Hauptbahnhof und Frauenkirche zu sitzen.

Dort, inmitten von türkischen Schnellrestaurants und bayerischen Würstchenbuden, betreibt Cora Frost ihren „Starimbiss“, in dem soviele Pommes wie skurrile Geschichten über den schmierigen Tresen gehen. Sie zieht mit dem Pianisten Gert Thumser, der „Sex-Geige“ Hans Jehle und der Multiinstrumentalistin vom Strande Gran Canarias Susanne Betancor durch die Lande, stellt den skurrilen Liederkasten am Berliner Landwehrkanal neben Bilka auf, beobachtet auf der Piazza von Friauli die dort lebenden Jungfrauen beim Brunftschrei „Ahiia“. Die Diseuse Cora Frost landete jetzt zum zweiten Mal in Bremen und singt bis Sonntag im Jungen Theater ihre Geschichten, fast wia im richtigen Leben.

In den Starimbiss kommt zuweilen die unersättliche Würstel Elli, die die Männer samt Würstchen verschlingt, die Enden werden abgeschnitten. Die dicke Marie wärmt sich an den Düften der Fritteuse, ihre Lenden riechen nach Flieder, ihre Schuhe nach Erdal. „Dicke Marie, dicke Marie, verlaß mich nie“, singt Cora Frost, die vor dem Lied noch zugegeben hatte, sich im Frühjahr immer ganz besonders nach Geld zu sehnen. „Es ist kalt, es ist sehr kalt“, sagt sie, steht im knöchellangen Filzmantel auf der Bühne, auf der Hochfrisur eine Pelzkappe, die K.D. Lang in Salmonberries gut gestanden hätte. Unnahbar und kühl steht sie und verrät ihren Geheimtip für kalte Wintertage: „Manche wärmen sich gern an einer Portion Pommes, wir machen lieber Petting.“

Bei der ausdrucksvollen Stimme vibriert nicht nur die Luft. Und ist das ansonsten minutenlang klatschende Publikum zu dem Zeitpunkt noch nicht vollends peinlich berührt, kann die schräge Cora das wohlige Unbehagen noch steigern. „Wir haben jetzt Hunger. Hunger nach Liebe“, haucht sie. Da hilft keine Plockwurst mehr, da müssen Menschen auf die Bühne und küssen.

Das Münchner Multitalent aus Berlin textet und komponiert zu einem großen Teil ihre Lieder selbst. Angefangen hat Cora Frost als Tänzerin in einem Nachtclub im Münchner Millieu, schmiß dort nach eigener Aussage ihren Klamotten auf einen Haufen hinter sich, um sie später schnell wieder zu finden. Mit neun Jahren hat sie angefangen zu tanzen und aufgehört zu sprechen, was sie später glücklicherweise wieder aufnahm. Sonst hätte sie nicht bereits 1981 erste Liederabende bestreiten können, hätte nicht unter Johann Kresnik am Marstalltheater tanzen und Liedinterpretation an der Münchner Falckenberg-Schule unterrichten können. Seit 14 Jahren tanzt und singt sie ihre verqueren Texte von Sehnsucht und Lesbenliebe „am Rande auf dem Lande“. Früher balancierte sie selbst am Rande des Publikumsgeschmacks, hatte nicht den Erfolg, der ihr jetzt endlich zukommt. Ulrike Fokken

Bis 14.5., täglich 20.30 Uhr, Junges Theater (Friesenstr. 16-18)