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„Defizite im demokratischen Bereich“

Bei seinem Deutschland-Besuch tut sich der türkische Staatsminister für Menschenrechte, Algan Hacaloglu, schwer, wenn er nach seinem Arbeitsgebiet gefragt wird  ■ Aus Bonn Karin Nink

Wenn man ihm so zuhörte, konnte man den Eindruck gewinnen Algan Hacaloglu sei türkischer Staatsminister für Europafragen und nicht für Menschenrechte. Immer wieder betonte er während seiner sechstägigen Deutschlandreise die Bedeutung der Europäischen Union für sein Land. Um vollwertiges EU-Mitglied zu werden, wolle die „laizistische und demokratische Türkei“ die „Defizite im demokratischen Bereich“ abbauen und den Standard westlicher Länder erreichen, versprach er.

Es liegt in der Natur der Sache, daß der Staatsminister für Menschenrechte Stellung nehmen muß zu den Menschenrechtsverletzungen in seiner Heimat. Dabei vermittelte er aber stets den Eindruck, daß er das zwar eigentlich ganz gerne würde, letztlich aber nicht kann. Angesprochen auf die jüngsten Äußerungen seines „Parteifreundes und Kabinettskollegen“, Justizminister Mehmet Mogultay, wonach die Menschenrechte in der Türkei massiv verletzt werden, sagte Hacaloglu: „Das zeigt, wie offen über die Menschenrechtslage auch in der Türkei diskutiert wird und wie sensibel die Regierung bezüglich dieser Frage ist.“

Bei aller Zurückhaltung unterbreitete er einige konkrete Vorhaben, mit denen die türkische Regierung für mehr Demokratie und Meinungsfreiheit sorgen will. Vorhaben, die allerdings ohne Ergebnis von Ministerpräsidentin Çiller schon mehrfach angekündigt worden sind.

So soll „noch in dieser Legislaturperiode“ die Verfassung geändert werden – darunter auch der Artikel 14, der vor allem die Rechtsgrundlage für Strafverfahren wegen „separatistischer Propaganda“ liefert. Darüber hinaus sichert der Staatsminister zu, daß auch „andere Gesetze, die die Demokratie und Meinungsfreiheit betreffen“, geändert werden sollen. Besonders hob er dabei den Artikel 8 der Antiterrorgesetze hervor, nach dem auch der bekannte Schriftsteller und des Staatsministers „persönlicher Freund“ Yașar Kemal sowie Tausende anderer Menschen angeklagt sind. Statt des Artikels 8 sollen Hetzreden, „die zum Beispiel auf Separatismus abzielen“, künftig nach Artikel 311 als Volksverhetzung bestraft werden. Ob die Abschaffung dieses berüchtigten Artikels aber wirklich für mehr Demokratie sorgen wird, ist bei Beobachtern umstritten. Bei aller Härte, die die Regierung gegenüber dem „Terrorismus“ im Südosten der Türkei an den Tag legen müsse, will Hacaloglu den Konflikt in den kurdischen Gebieten auch mit nichtmilitärischen Mitteln lösen: Förderung der Kultur und Tradition der „größten Subkultur“ der Türkei.

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