Was hier nicht steht, steht in der digiTaz

■ Statt morgens „Eine taz bitte“ am Kiosk, jetzt schon abends „http://www.prz.tu-berlin.de/ taz“ eintippen. Und zwar von Alaska bis Feuerland

Nun ist sie also da, die „digiTaz“. Als erste überregionale Tageszeitung kann man die taz im weltweiten Computerverbund Internet lesen. Die taz-Ausgabe des nächsten Tages wird schon abends um 20 Uhr in einen Computer am Prozeßrechenzentrum (PRZ) der Technischen Universität Berlin eingespeist. Innerhalb weniger Minuten können dann LeserInnen aus der ganzen Welt die taz auf ihren Bildschirm rufen – wenn sie einen Internet-Anschluß haben.

Mit der bequemen Art, im Internet herumzusurfen, dem „World Wide Web“ und den zugehörigen Programmen wie „Mosaic“ oder „Netscape“, tauchen nicht mehr verworrene Buchstabenschlangen auf dem Bildschirm auf, sondern einfach zu bediendende Grafiken und leicht lesbare Texte (zum „World Wide Web“ auch ein Artikel auf den Kultur- Seiten). Auf Neuseeland ist die digiTaz damit früher zu lesen als die Papiertaz im Handverkauf in den Kreuzberger Kneipen. Einfach die etwas längliche Adresse „http:// www.prz.tu-berlin.de/ ~taz“ in die Tastatur hacken, dann sucht sich der Rechner seinen Weg auf die Menüseite der digitalen taz.

Ein Inhaltsverzeichnis erscheint, mit der Maus kann dann geblättert werden, oder aber man klickt einzelne Artikel mit der Maus an. „Weil die Auflösung der Computer-Bildschirme mehr als zehnmal schlechter ist als die von bedrucktem Zeitungspapier, können wir immer nur einen Artikel auf dem Schirm darstellen“, sagt digiTaz-Projektleiter Dieter Rüffler von der TU Berlin. „Damit eine Zeitungsdoppelseite lesbar wäre, bräuchten wir einen Monitor von der Größe einer Tür.“ Damit der Speicherplatz für eine digiTaz- Ausgabe auf etwa 600 Kilobyte beschränkt bleibt, fehlen fast alle Fotos — doch keine Angst: Der Tom- Cartoon und das Augenblicke- Foto sind drin.

Beim Probebetrieb in den letzten Tagen stieg die Zahl der LeserInnen der digiTaz schon auf über 3.000, obwohl die elektronische Adresse nur unter Freunden ausgetauscht wurde. Die Auflage der Papier-taz wird allerdings kaum von der digitalen überrundet werden – dafür reicht einfach die Computerkapazität am Rechenzentrum nicht aus. Die Leitung könnte dann häufig belegt sein.

Daß es die taz nun auch im Internet gibt, ist in bester Hacker- Manier vor allem der freiwilligen Arbeit von EDV-Spezialisten am PRZ und bei der taz zu verdanken. Acht Wochen haben sie Software geschrieben und diverse Tücken umschifft, teilweise wurden sie und die nicht ganz billige Hardware im Rahmen eines Forschungprojekts der Telekom-Tochter DeTeBerkom bezahlt. „Die digiTaz ist erst am Anfang“, sagt Dirk Rühmann vom PRZ. Bald soll es neben jedem Artikel einen Knopf für Leserbriefe per e-mail geben.

Damit können die UserInnen den jeweiligen Autor ohne Umweg über den Post-briefkasten direkt mit ihren Kommentaren bombardieren – ein ganz neues Leser- Blatt-Verhältnis.

Der Clou aber ist der „Hypertext“. Im grauen Fließtext der taz- Artikel sind einzelne Wörter wie zum Beispiel „Rudi-Dutschke- Haus“ blau hervorgehoben. Wer den Begriff mit der Maus anklickt, erhält eine kurze Hintergrund-Information über Dutschke. Das ist ein erster Schritt.

„Die Möglichkeiten des Internet werden erst mit ,Hyperlinks‘ richtig ausgeschöpft“, so Dirk Rühmann. Diese „Hyperverbindungen“ (O Science-fiction- verliebte Cyber-Gemeinde und deine Begriffe!) schließen den Text direkt an eine Datenbank auf einem anderen Internet-Rechner an. Wer in einem Text über Bill Gates das Wort „Microsoft“ anklickt, erhält so den aktuellen Umsatz des Computer-Unternehmens und die Aktienentwicklung der letzten Monate bis zum aktuellen Stand an der New York Stock Exchange – wenn jemand von der taz das richtige Hyperlink gezogen hat.

Die taz als Verteiler- station für Information

„Die taz würde dann als Verteilerstation für Information fungieren“, so der Informatiker Stephan Frühauf vom PRZ, „aus dem Meer an Daten würden einige mit Hyperlinks an Artikel geknüpft. Damit übernimmt der Redakteur allerdings auch die Verantwortung für die Qualität der Informationen, die er empfiehlt.“

Das alles kostet natürlich auch Geld. Das heißt, irgendwie müßte die finanziell stets klamme taz ihre Auslagen wieder hereinbringen – und das bleibt schwierig im anti- kommerziellen Netz. Versandhäuser haben es da einfacher. Sie preisen Bilder ihrer Ware im Internet an. Ein Kunde bestellt, indem er seine Adresse und Kreditkarten- nummer angibt. Das Geld wird vom Konto abgebucht, und die wirkliche Ware kommt dann in den nächsten Tagen per Kurier. Das ist bei einer Zeitung natürlich unmöglich, denn hier ist der Text die Ware. Außerdem kann jeder die digiTaz beliebig kopieren, wenn sie erst auf die heimische Festplatte gezogen wurde.

„Wenn die Internet-Leute einen Mehrwert in der gelieferten taz erkennen, dann sind sie freiwillig bereit, einen Obolus zu bezahlen“, denkt Dirk Rühmann. Ansonsten ist die digiTaz ein Experiment, ein Teil des Stocherns in den Möglichkeiten des prinzipiell nicht hirarchischen Internets.

„Zum ersten Mal in der Geschichte haben wir die Möglichkeit, gleichzeitig mit Millionen unserer Mitmenschen zu kommunizieren, uns zu unterhalten und zu bilden und die Sicht unserer nationalen Problem und Ereignisse auszudehnen.“

Dies hat nicht irgendein Internet-Papst von sich gegeben, sondern der damalige US-Handelsminister Herbert Hoover im Jahr 1924 – er sprach über das neue Medium Radio. Eins war damals anders: Die Hörer hörten nur, sie konnten nicht antworten. Die taz- LeserInnen können uns ab sofort in Echtzeit loben oder prügeln. Reiner Metzger, Berlin