Kopflose Zeiten für die SPD

■ Klaus Wedemeier kündigt seinen Rücktritt an / Streit um Rot-grün oder Große Koalition

„Wir haben heute vormittag ganz normale Arbeit gemacht“, bekannte der SPD-Geschäftsführer Jabs gestern nachmittag. Der SPD-Landesvorstand hatte morgens noch Bürgermeister Wedemeier und die Landesvorsitzende Tine Wischer zur Verhandlungs-Delegation bestimmt, die mögliche Koalitionsgespräche in diesen Tagen sondieren sollte. „Mit dem Herzen“, so konnte Tine Wischer mittags mitteilen, sei die Mehrheit für Rot-grün – offenbar auch Wedemeier (siehe „Tagesthema“, Seite 3/4).

Nur Landesvorstandsmitglied Eva Quante-Brandt hatte Klartext geredet: „Nach so einer Niederlage muß es personelle Konsequenzen geben, aber dazu seid ihr zu feige.“ Auch andere Mitglieder des erweiterten Landesvorstandes sollen – allerdings weniger offen – personelle Konsequenzen verlangt haben. Wedemeier verließ am Mittag kommentarlos die Krisensitzung, bei der tiefe Betroffenheit, Ratlosigkeit und Katerstimmung vorherrschten.

Kurz nach 17 Uhr kam dann aus dem Ratshaus die Kehrtwende: „In Verantwortung für die Freie Hansestadt Bremen erkläre ich hiermit, zukünftig nicht mehr als Präsident des Senats zur Verfügung zu stehen.“ Gründe teilte Wedemeier nicht mit, stattdessen lobte er sich und seine Leistungen für das Bundesland und versicherte: „Ich verabschiede mich von der Regierungspolitik in der Gewißheit, mein Möglichstes für unser Land und seine Bürger gegeben zu haben.“ Bis zur Neuwahl eines Senats werde er aber „pflichtgemäß“ noch im Amt bleiben, so Wedemeier.

Für die Bremer SPD fängt damit, so formulierte es der frühere Innensenator Bernd Meyer, eine „kopflose Zeit“ an: Offenbar gibt es keinen anderen Kandidaten für die Spitzenposition. Bernd Meyer war schon vor zwei Jahren einmal ins Gespräch gebracht worden und hatte schon damals abgewunken. Er wolle „definitiv nicht“, erklärte Meyer gestern gegenüber der taz, und will auch kein Kandidat sein. Meyer hat auch persönlich nicht Lust, sich dieser Aufgabe zu unterziehen. Für Wedemeier hat er aber nur Lob übrig: „Das war nicht besser zu machen.“

Innerhalb der SPD hatten sich gestern schon vor der Wedemeier-Rücktrittsankündigung die Fronten um die Entscheidung zwischen Großer Koalition und Rot-grün formiert. Angesichts der äußerst knappen Mehrheit, die Rot-grün rein rechnerisch in der Bürgerschaft hätte, können schon zwei Abgeordnete die Entscheidung zugunsten der Großen Koalition fällen. Während die neue Fraktion der Grünen gestern nachmittag einstimmig ihre Wahlaussage für Rot-grün bekräftigte, kamen aus der SPD bereits erste Töne des Widerstands gegen die Zusammenarbeit mit den Grünen. So erklärte die Bremerhavener Abgeordnete Marlies Marken auf Anfrage der taz: „Ich bin für die Große Koalition. Rot-grün würde ich nur mittragen, wenn es vorher in der Partei eine Mitgliederbefragung mit diesem Ergebnis gegeben hat.“

Auch die SPD-Landesvorsitzende Tine Wischer hatte nach der Sitzung des Landesvorstands am Mittag eine Mitgliederbefragung zu dieser Frage nicht ausgeschlossen. Sie sei allerdings „nicht euphorisch“, daß sich daraus eine Lösung des Dilemmas ergeben könnte, in dem die SPD nach dem Wahlausgang steckt.

Für den grünen Spitzenkdandidaten Ralf Fücks kam der Wedemeier-Rücktritt nicht unerwartet. „Jetzt wird die SPD nicht mehr um einen persönlichen und politischen Neuanfang herumkommen“, sagte er und hoffte, daß das dann doch noch zu einer Ausnutzung der Mini-Mehrheit für Rot-grün führen würde.

CDU-Spitzenkdandidat Ulrich Nölle will heute bekanntgeben, ob er persönlich noch für einen Posten im Senat zur Verfügung steht, nachdem die CDU nicht stärkste Partei werden konnte. Für seine Partei erklärte Fraktionschef Peter Kudella aber gestern definitiv: „Wir sind die Wahlgewinner und sind bereit, in einer großen Koalition Verantwortung zu übernehmen.“

Auch AfB-Spitzenkandidat Friedrich Rebers hat sich noch nicht endgültig mit der Oppositionsrolle abgefunden. Überraschend kündigte er gestern „Gespräche auch mit den Grünen“ an. Zuvor hatte er eine Zusammenarbeit mit SPD und Grünen stets abgelehnt.

K.W./Ase