: Denkbefehle statt Diskussionsangebote
■ Freie Universität: Wegen angeblich rechter Tendenzen der Fachbereichszeitung des Otto-Suhr-Instituts dreht der geldgebende AStA jetzt den Geldhahn zu
Ist das traditionell linke Otto- Suhr-Institut für Politische Wissenschaft an der Freien Universität zum Domizil der neuen Rechten verkommen? Der Asta der FU jedenfalls wittert die Gefahr, nachdem er in verschiedenen Ausgaben der Fachbereichszeitung OZ revisionistische Artikel ausgemacht hat. Ins Kreuzfeuer der Asta-Kritik gerieten jetzt vor allem die Beiträge der Autoren Schellenberg und Krause.
Unter der Überschrift „Vergangenheitsbewältigung“ hatte Henry Krause NS- und DDR-Diktatur gleichgesetzt und gefragt, ob die einen Opfer „töter als die anderen“ seien und „die Haftjahre in einem Zuchthaus oder Lager unter Hammer und Sichel angenehmer als die unter dem Hakenkreuz“. Schellenberg hatte in seinem Artikel die „einseitige Bearbeitung deutscher Geschichte“ moniert und gleichzeitig gefordert, sich „anstelle des alles überlagernden Referenzpunktes Nationalsozialismus“ verstärkt um das Kapitel DDR zu kümmern. Überall würde über Rechtsradikalismus geredet, nicht aber über „das linksradikale bis linksextreme Spektrum, zu dem auch die PDS gehört“.
Die Reaktion des Asta war heftig und sechs Seiten lang. Kein Wunder, denn die AutorInnen holen weit aus. Sie erinnern an den Historikerstreit und zitieren einmal mehr Ernst Noltes mißglückte Versuche, den Nationalsozialismus als Antwort auf den Bolschewismus zu interpretieren und somit zu relativieren.
Auf eben dieser Ebene würden sich auch Autoren wie Schellenberg und Krause sowie eine Zeitung bewegen, die sich „pünktlich zum Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus nahtlos in den Strom derer einreiht, die die Schattenseiten deutscher Vergangenheit nun endlich zu entsorgen trachten, um sich wieder bruchlos auf die deutsche Nation und deren Geschichte beziehen zu können“.
Als „völlig überzogen“ wies Stefen Niemeyer von der OSI-Zeitung die Anschuldigungen zurück. Im übrigen würden die Beiträge nicht die Ansicht der OZ, sondern lediglich einzelner Autoren widergeben. „Wer hat die Weisheit mit der Immatrikulation in die Hand gegeben bekommen?“ fragen die RedakteurInnen und verteidigen ihr Konzept, Diskussionsangebote zu machen anstatt Denkbefehle zu geben. Über die Grenzen solcher Diskussionsfreude aber ist sich auch die Redaktion nicht klar: „Beginnt dieser Revisionismus mit Krause und Schellenberg oder weiter rechts?“
Zum freien Meinungsaustausch trafen sich die Streitenden vor einer Woche. Der Asta aber hatte schon zuvor Nägel mit Köpfen gemacht und beschlossen, die OZ bis zu einer endgültigen Klärung nicht weiterzufinanzieren. Die jüngste Ausgabe der Zeitung konnte nur erscheinen, weil der Beschluß nicht bis in die Räume der Druckerei vorgedrungen war. Schlechte Voraussetzungen also für eine Einigung.
Die OZ-Redakteure verweigerten sich denn auch jeder inhaltlichen Diskussion, solange der Asta das Damoklesschwert schwingt. Damit die Gelder wieder fließen, aber soll die Redaktion garantieren, daß Artikel wie die von Schellenberg und Krause nicht mehr erscheinen. Die Redakteure der OZ aber empfinden eine solche Vorschrift als Zensur, die einen Austausch von Meinungen unmöglich macht.
Zu einer demokratischen Streitkultur wollte die OZ beitragen, meint Redakteur Sebastian Lehmann. Im Streit zwischen der Redaktion und dem Asta jedoch fehlte es eben hieran. Einzelnen Asta-Mitgliedern schien die Zuspitzung des Konfliktes die beste Lösung.
Seit Anfang der Woche hängen jedenfalls Transparente am Otto-Suhr-Institut: „Keinen Liberalismus für geistige Brandstifter“. Auf einem anderen Transparent wird die OSI-Zeitung mit der rechtsradikalen Jungen Freiheit gleichgestellt. „Nichts als eine Provokation, die aufmerksam machen soll“, sagt Barbara Fried vom Asta-Fachschaftsreferat dazu. Ein Angebot zum Gespräch war es jedenfalls nicht. Holger Heimann
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