■ Modernes Lesen: Durchgerutscht
Sie müssen wissen, es gibt durchaus eine gesunde Konkurrenz zwischen uns Medienredakteuren. Weshalb wir natürlich stets aufmerksam beobachten, was die anderen so treiben.
Was wird man sich bei der Zeit die Hände gerieben haben, als man in der Süddeutschen Zeitung vom 8. Mai unter der Rubrik „Trauer“ eine gar traurige Anzeige fand: „Vae victis“ stand da zu lesen, „Zum Gedenken an alle Landsleute, die als Folge der ,Befreiung‘ von Hab und Gut, Heimat und in vielen Fällen auch von ihrem Leben befreit wurden“. Gar nicht schön, was ein Herr namens August Kaiser der SZ da annonciert hatte. „Die Presse ist frei“, ließ sich also die Zeit in der Medienspalte dieser Woche süffisant vernehmen, „aber auch frei von Skrupel?“
Mit klammheimlicher Freude (Konkurrenz belebt das Geschäft!) werden die Hamburger der Frage nachgegangen sein, gründlich erledigten sie ihre moralisch einwandfreie Arbeit: Ließen sich von der zerknirschten Münchner Konkurrenz wörtlich bestätigen, die Anzeige sei „bedauerlicherweise durchgerutscht“ und recherchierten – wo man doch gerade schon dabei war – auch noch in Frankfurt nach.
Die dort ansässige Allgemeine hatte nämlich am 7. April die Breitfrontanzeige „Gegen das Vergessen“ abgedruckt, unterzeichnet unter anderen von Zitelmann, Dregger und Gauweiler und beseelt von dem unseligen Gedanken, daß mit der Befreiung vor fünfzig Jahren der Terror in Deutschland sich fortsetzte und die Teilung begann.
So jedenfalls recherchierte und berichtet es uns die Zeit in ihrer neuesten Ausgabe. Leider hatte man bei soviel Investigationswillen wohl eine Winzigkeit vergessen: bei der eigenen Anzeigenabteilung einmal nachzufragen, ob man nicht womöglich soeben selbst ...?
Was werden sich die Zeit-Redakteure die Haare gerauft haben, als sie am Donnerstag die Seite 74 („Modernes Leben“) ihrer eigenen Zeitung aufschlugen. Denn da stand eine gar traurige Anzeige: „Vae victis“ von August Kaiser.Klaudia Brunst
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