: Im Bauch der Bestie den Wandel vollziehen
■ Stanislav Devatý, bis 1989 prominentes Opfer des Geheimdienstes der damaligen ČSSR, ist seit Ende 1992 Chef des tschechischen Sicherheits- und Informationsdienstes (BIS)
Im Sommer 1989 zählte Stanislav Devatý (42) zu den am meisten verfolgten Regimekritikern der damaligen ČSSR. Dreieinhalb Jahre später war er Chef jenes Unternehmens, das ihm jahrelang das Leben zur Hölle gemacht hatte: Im Dezember 1992 wurde der Elektriker aus Mähren Chef des tschechischen Sicherheits- und Informationsdienstes (BIS). Dieser hatte nach 1989 bereits viermal seinen Namen und siebenmal seinen Chef gewechselt – die Anzahl seiner Affären lag noch höher. Devatý hält sich bisher am längsten, aber auch unter seiner Regie sorgt der Geheimdienst für Skandale.
Den letzten löste zu Anfang des Jahres die bisher größte Koalitionskrise in Prag aus. Der Vorsitzende der Koalitionspartei „Bürgerlich-Demokratische Allianz“ (ODA), Jan Kalvoda, warf Devatý vor, der BIS sammele ungesetzlich Material über politische Parteien und beeinflusse die Berichterstattung in den Medien zugunsten des großen Koalitionspartners, der „Demokratischen Bürgerpartei“ (ODS). Bestätigt werden konnten die Vorwürfe nicht. Devatý widersprach den Anschuldigungen, und wie so viele andere Affären an der Moldau versandete auch diese.
Schon Mitte der achtziger Jahre hatte der Unterzeichner der Charta '77 mit Protesten gegen das Regime auf sich aufmerksam gemacht. Nachdem Devatý 1988 Sprecher der Charta '77 geworden war, klagten ihn die kommunistischen Machthaber wegen Verbreitung antisozialistischen Gedankengutes an. Gegen seine Verurteilungen protestierte der Dissident mit Hungerstreiks. Da sich die Herrschenden in Prag keinen verhungerten Regimekritiker leisten konnten, wurde Devatý stets vorzeitig aus der Haft entlassen. Im Sommer 1989 tauchte er schließlich in Polen unter, sein Gesundheitszustand ließ keinen weiteren Hungerstreik mehr zu. In die ČSSR kehrte Devatý erst am 10. Dezember 1989 zurück.
Von seiner radikalen Sicht der Dinge ließ er auch nach 1989 nicht ab. Die Charta '77 hatte er stets als zu sanft kritisiert, und im nachhinein bedauerte er es, kein „Mann des Novembers 89“ gewesen zu sein. 1990 beschäftigte sich unter Beteiligung Devatýs ein Untersuchungsausschuß mit den Machenschaften des alten Systems und des kommunistischen Geheimdienstes StB. Devatý hätte den StB am liebsten ganz aufgelöst, als Garant für seinen vollständigen Wandel wurde er selbst schließlich Chef des Geheimdienstes. Vorrangiges Ziel des ehemaligen Dissidenten ist es nun, aus dem BIS ein Prestigeunternehmen à la CIA zu machen. Von seinen Untergebenen erwartet Devatý – dessen Mitgliedschaft in der ODS seit seiner Ernennung zum Geheimdienstchef ruht – absolute Parteilosigkeit. Seine eigene politische Orientierung kommt allerdings immer wieder ans Licht: Während des letzten US-Wahlkampfes soll Devatý dem Weißen Haus kompromittierendes Material über Clinton geliefert haben. Er wollte verhindern, daß der „Kryptokommunist Clinton“ an die Macht kommt. Anfang 95 schließlich gelangte eine von ihm ausgearbeitete „Extremistenliste“ aus Versehen an die Öffentlichkeit. Darin rangieren Umweltschutzverbände und Menschenrechtsorganisationen als „Extremistenvereine“. Sie, so Devatý, gefährdeten die Existenz des Staates. Katrin Bock, Prag
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