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Kinder durchleuchtet

■ Zur Altersbestimmung im Strafverfahren werden ausländische Jugendliche geröntgt

Auch in Bremen werden junge Flüchtlinge im Zweifel auf ihr Alter hin durchleuchtet: Wenn sich das genaue Alter eines Jugendlichen nicht feststellen läßt und die Staatsanwaltschaft gegen ihn ermittelt, wird das ungefähre Alter per Röntgendiagnose festgestellt. Einen solchen Verdacht, den der „Flüchtlingsarbeitskreis Walle“ geäußert hatte, bestätigte die Justizbehörde in Teilen. Was für die Justizbehörden ein ganz normales Vorgehen im Rahmen der Beweissicherung ist, erscheint dem Flüchtlingsarbeitskreis dagegen als Körperverletzung und „Mibrauch ärztlicher Diagnostik.“ß

Der Vorwurf der Flüchtlingsgruppe stützt sich auf Erfahrungen, die am Frankfurter Flughafen gemacht wurden: In einem Beitrag der Zeitschrift „Forum“, dem Blatt der „Internationalen Ärzte für die Verhütung eines Atomkrieges“, wurden im der April-Ausgabe Fälle geschildert, wo mittels Röntgen-Untersuchung des Alter von ankommenden Jugendlichen „hochgeschätzt“ wurde. Die Jugendlichen wurden dann nicht nach dem „Haager Minderjährigenschutzabkommen“, sondern nach den normalen Asylrichtlinien behandelt. Die Röntgenärzte im Frankfurter Flughafen, so „Forum“, machten sich so zu „pseudowissenschaftlichen Handlangern einer unmenschlichen Abschiebepraxis“.

Solche Fälle gebe es allerdings in Bremen nicht, versichert die Sprecherin der Justizbehörde, Ines Gerwien. Das Ausländeramt und die Bremer Außenstelle des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge wendeten keine Altersbestimmung per Röntgenapparat an, sondern gingen in Zweifelsfällen allein „nach dem Augenschein.“

Anders sieht es allerdings im Strafverfahren aus: Bei Vorwürfen von schwerem Rauschgifthandel oder Mehrfachidentität und dem Fehlen einer anderen Möglichkeit zur Altersbestimmung sei es „gängige Praxis“, die Handwurzel des Verdächtigen zu röntgen, um so sein Alter zu bestimmen. Das wiederum ist wichtig bei der Frage, ob der Verdächtige überhaupt belangt werden kann, denn Jugendliche gelten erst ab 14 Jahren als strafmündig. „Das ist eine körperliche Untersuchung, die wie eine Blutprobe laut Strafprozeßordnung angeordnet werden kann“, meint Gerwien. Über die Zahl der geröntgen Jugendlichen kann sie allerdings keine Angaben machen. Daß die Jugendlichen dabei eine Strahlendosis abbekommen, sei auch „verhältnismäßig“, denn immerhin gehe es bei den Vorwürfen um schwere Delikte und die Methode sei ein „taugliches Mittel“.

Das wiederum bestreitet der Flüchtlingsarbeitskreis. Hildegund Mikoteit, selbst Ärztin, führt die Argumente aus „Forum“ und des zuständigen Oberarztes aus der Röntgenklinik des St. Jürgen-Krankenhauses, an: „Diese diagnostische Untersuchung ist für eine Altersbestimmung gar nicht geeignet. Denn die Daten über das Knochenwachstum beziehen sich auf ein Lehrbuch von 1977 und sind in den USA erhoben worden.“ Bei Jugendlichen aus Südeuropa oder Afrika könne sich das Knochenwachstum aber durchaus anders entwickeln. Allein aus dem Amt für Soziale Dienste Ost seien etwa zehn solcher Fälle von Zwangsröntgenbehandlungen bekannt, meint Mikoteit. „Nur bei einem dieser Fälle war der Vorwurf Drogenhandel erkennbar.“ bpo

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