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Nur auf Wunsch, nicht als Regelfall

■ Ein Bündnis aus Berliner Familieninitiativen ist gegen die Bonner Pläne des Bundesjustizministeriums und der SPD, ein gemeinsames Sorgerecht für Kinder getrennter Paare per Gesetz festzuschreiben

Das Sorgerecht für Kinder getrennter Eltern soll umgedreht werden. Was früher die Ausnahme war – ein gemeinsames Sorgerecht für das Expaar –, könnte künftig die Regel sein. Das wollen Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und die SPD- Fraktion im Bundestag. Geht es nach ihnen, haben künftig beide Eltern gemeinsam das Sorgerecht. Nur wenn Mutter und Vater partout keine gemeinsame Sache mehr machen wollen, können sie beantragen, daß nur ein Partner für das Kind verantwortlich ist. Das müssen die Eltern dann extra begründen. Nach der jetzigen Gesetzeslage hat in der Regel nur ein Elternteil das Sorgerecht. Auf Antrag und nach besonderer Prüfung kann der Familienrichter beiden Eltern dieses Recht übertragen, also nur im Ausnahmefall.

Diese Vorschläge aus Bonn hält das Bündnis „Gemeinsames Sorgerecht? Ja, auf Wunsch beider Eltern – nicht als Regelfall“ [!] aus Berlin für realitätsfern. In dem Bündnis haben sich sechs Initiativen und Verbände zusammengeschlossen, die mit Familien oder Alleinerziehenden arbeiten. Auf einer Pressekonferenz erklärte Veronica Klingmann gestern, eine der Bündnissprecherinnen, daß momentan nur drei bis vier Prozent der getrennten Paare ein gemeinsames Sorgerecht beantragten. „Skeptisch machen mich auch Forschungsergebnissse aus Ländern, in denen Eltern gemeinsam das Sorgerecht haben“, sagt sie.

Überträgt das Gesetz künftig automatisch Mutter und Vater das „Personen- und Vermögenssorgerecht“, wie Juristen präzisieren, so müssen die Familiengerichte nicht mehr prüfen, ob das Expaar kooperativ ist und persönliche Konflikte nicht auf dem Rücken des Kindes austrägt. Von einem Verhalten der früheren Partner, das sich allein am Kindeswohl orientiert, gehen SPD-Fraktion und Bundesjustizministerium in ihren Vorschlägen aus. „Die Realität aber sieht anders aus“, sagt Klingmann, die auch Geschäftsführerin des „Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter“ in Berlin ist. In den meisten Fällen, in denen ein gemeinsames Sorgerecht beantragt wurde, sei es schiefgegangen, berichtet Sabine Klingsporn von der „Arbeitsgemeinschaft der Familienverbände“. Wenn alle wichtigen Entscheidungen von beiden Elternteilen befürwortet werden müssen, werde der Alltag des betreuenden Parts mühsam, und dadurch gebe es Streit.

Veronica Klingmann meint, Befürworter des gemeinsamen Sorgerechts würden den unterhaltspflichtigen Elternteil damit zur Zahlung motivieren wollen. In Deutschland drücke sich die Hälfte aller, die für das finanzielle Wohl des Kindes sorgen müßten, entweder ganz oder zum Teil um regelmäßige Überweisungen. „Das will man mit einem Tausch bekämpfen: mehr Entscheidungsmöglichkeiten gegen regelmäßigen Unterhalt“, sagt sie. Deshalb handele es sich um ein pädagogisches Gesetz, und das lehnt sie ab, weil es sich nicht an der Realität orientiere. Nina Kaden

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