Der Idiot der Familie

■ Ein Gespräch mit dem Crumb-Porträtisten Terry Zwigoff über Musik, Psychoanalyse, Robert und seine Brüder sowie die Erotik von Bugs Bunny

taz: Wie haben Sie Crumb kennengelernt?

Terry Zwigoff: 1970 war das. Ich hatte zwei Freunde, die einen Film über das „Animal Rights Movement“ gedreht hatten. Aber niemand wollte ihn sehen, weil er so entsetzlich war. Ich schlug vor, Crumb zu fragen, ob er dasselbe Thema nicht in einem Comic verarbeiten wolle. Einen „Seid nett zu den Tieren“-Comic könne er aber nicht zeichnen, meinte er; er ließ sich aber immerhin breitschlagen, das Cover zu machen. Eigentlich interessierte er sich aber viel mehr für alte Jazz- und Blues-Platten. Wir sind beide große Sammler. Über das Tauschen haben wir uns dann kennengelernt. Später begann ich in seiner Band The Cheap Suit Serenaders zu spielen. Ich habe überhaupt erst gelernt, ein Instrument zu spielen, weil mich diese Typen so interessierten. Ich bin immer noch kein guter Musiker.

Wie verlief die Arbeit mit Crumb an dem Film?

Es war schwierig. Manchmal ging er einfach davon. Und dann wieder schien er genau zu wissen, was der Film brauchte und half richtig mit – als er mit seinem Bruder zusammen war zum Beispiel. Charles war sehr nervös und wollte nicht gefilmt werden; am Anfang war das ziemlich unangenehm. Aber Crumb brachte ihn zum Sprechen. Er respektierte seinen Bruder und dessen Arbeit sehr und wußte, daß er schon mehrmals versucht hatte, sich umzubringen. Er wollte ihn gerne dokumentiert sehen.

„Crumb“ handelt ja nicht von einem, sondern von drei Brüdern. Es ist ein Film darüber, wie manche ihr Talent überleben und andere nicht.

Ich glaube, daß alle drei sehr talentiert waren. Die besten Arbeiten von Max sieht man im Film ja nicht einmal. Und Charles hatte mehrere Jahre in einer psychiatrischen Anstalt verbracht und war dort sehr glücklich gewesen. Er hatte sein eigenes Zimmer, Freunde unter den Patienten, mit denen er sich über Bücher unterhielt. Zu Hause bei seiner Mutter war es anders. Sie wollte nicht, daß er irgend jemandem außer Robert Briefe schrieb und ließ ihn nicht aus dem Haus. Sobald seine Mutter gestorben wäre, wäre er wieder zurück in die Anstalt gegangen, um dort ein gepflegtes Gesellschaftsleben zu führen.

In „Crumb“ hat Sie der Zusammenhang von depressiver Verzweiflung und Kunstproduktion interessiert.

Ich habe etliche Bücher darüber gelesen. Mit dem Film hat sich das Interesse noch verstärkt. Zu dieser Zeit hatte ich auch selbst eine Psychoanalyse begonnen. Irgendwann fand ich heraus, daß mein Analytiker der Sohn von Clifford Odets ist, einem berühmten Bühnen- und Drehbuchautor. Ein paar klassische Films noirs sind von ihm: Mackendricks „The Sweet Smell of Success“ und Langs „Clash by Night“. Clifford Odets war richtig verdreht. Man fragt sich, wie das ist, von so einem Vater aufgezogen zu werden. Er war berüchtigt für seine Grausamkeit gegenüber Frauen. Seine Frau, die Schauspielerin Frances Farmer, hat er mißbraucht, gequält und dann ins Irrenhaus gebracht.

Martin Scorsese hat Paul Schrader einmal nächtens gebeichtet, er sei in den Hintern von Disneys „Peter Pan“-Fee Tinkerball vernarrt gewesen. Aber das Bekenntnis von Robert Crumb, als Kind eine leidenschaftliche Beziehung zu Bugs Bunny gehabt zu haben, übertrifft das noch bei weitem.

Als er das erzählte, dachte ich, verdammt, was ist das denn? Bugs Bunny!! Aber als ich in diesem Alter war, war ich genauso in Comics vernarrt. Aber eher Donald Duck und Little Lulu. Wenn ich ein neues Magazin am Zeitungsstand fand, war ich so aufgeregt. Ich erinnere mich, daß ich den Duft der Farbe in mich hineingesogen habe, und wie erregend das war. Ich fuhr jeden Tag mit dem Fahrrad zum Zeitungsstand, um zu sehen, was es neues gab. Das ist meine stärkste Kindheitserinnerung.

Haben Sie die Sammlung noch?

Ich habe alles aufgehoben. Aber mein Bruder und ich haben immer unsere Namen auf die Cover gekritzelt und damit ihren Wert vernichtet (lacht). Heute wären sie 1.000 Dollar pro Stück wert, wenn wir das nicht getan hätten. Interview: Robert Weixlbaumer