: Vertriebene vertreiben Antje Vollmer
Beim Sudetendeutschen-Heimattag wird die Vizepräsidentin des Bundestags keine Rede halten / Tom Koenigs durfte dagegen vor Vertriebenen in der Paulskirche sprechen ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt
Frankfurt (taz) – Weil die Sudetendeutsche Landsmannschaft (SL) „keine Präzedenzfälle“ schaffen möchte, wird der Wunsch von Antje Vollmer, Bündnisgrüne und Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags, auf dem traditionellen Pfingsttreffen der Landsmannschaft zu reden, nicht in Erfüllung gehen. Der Sprecher der Sudetendeutschen, Franz Neubauer, habe ihr in einem ausführlichen Gespräch die Absage „mit Bedauern“ selbst mitgeteilt, berichtete Frau Vollmer. Grundsätzlich dürften bei den SL-Treffen nur Vertreter der gastgebenden Stadt, der bayerischen Staatsregierung – seit Jahrzehnten Schirmherrin der Sudetendeutschen – und der Bundesregierung Ansprachen halten, habe Neubauer ihr berichtet.
Auch Vollmer „bedauerte“, daß sich Neubauer trotz „Bedauerns“ zu keiner positiven Entscheidung habe durchringen können. Die Ehrenkarte, die sie von ihm für die Münchner Veranstaltung bekommen habe, werde sie aber benutzen, um ihr „ernsthaftes Interesse“ an Gesprächen mit der SL zu unterstreichen. Die SL will diesmal auf den traditionellen Fackelumzug der Jugend und auf das demonstrative Vorzeigen der Urne mit der „böhmischen Heimaterde“ verzichten. Und weil auch Neubauer das „ernsthafte Interesse“ an einem Gespräch mit Vollmer signalisierte, kommen der Vorstand der SL und Mitglieder des Sudetendeutschen Rates noch im Juni zu einem Gespräch mit Vollmer nach Bonn. Bei der vorhergehenden Bundestagsdebatte am 1. Juni zum Thema Vertreibungen wird Antje Vollmer ihre Position zu der festgefahrenen deutsch-tschechischen Entschädigungsdebatte darlegen.
Nicht verhindern konnte der Bund der Vertriebenen (BdV) gestern hingegen eine Rede des (ersatzweise) amtierenden Oberbürgermeisters von Frankfurt am Main, Tom Koenigs (Bündnis 90/ Die Grünen). Der Stadtkämmerer und Umweltdezernent sprach gestern als oberster Repräsentant der Stadt auf der Gedenkveranstaltung des BdV mit dem Titel „50 Jahre Flucht, Deportation, Vertreibung – Unrecht bleibt Unrecht“. Koenigs erinnerte in der Paulskirche daran, daß sowohl der polnische Außenminister Wladislaw Bartoszewski als auch der tschechische Staatspräsident Václav Havel die Vertreibung von Deutschen nach dem Krieg als Unrecht bezeichnet und sich dafür entschuldigt hätten. Das seien „deutliche Zeichen für Versöhnung und Frieden“ gewesen. Auf der gleichen Veranstaltung lobte Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) die Vertrieben. Mit dem Bekenntnis zu Versöhnung und Gewaltverzicht in der schon 1950 verfaßten Charta, so Kanther, hätten die Vertriebenen „große Politik“ betrieben und in den anschließenden Jahrzehnten „die Chance zur Versöhnung“ genutzt. Von „Versöhnung“ war auch in der Rede des BdV-Präsidenten Fritz Wittmann viel zu hören. „In der Heimat der deutschen Heimatvertriebenen darf es nie mehr Vertreibungen geben.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen