: Banges Schielen auf Sudetendeutsche
■ Regierungserklärung und Heimattreffen entscheiden über Verhältnis zu Prag
Bonn (taz) – Eines steht fest: Beim 46. Pfingsttreffen der Sudetendeutschen Landsmannschaft (SL) am Wochenende in München verzichten die Organisatoren erstmals auf den traditionellen und markigen Fackelumzug der Jugend. Bonner PolitikerInnen sind darüber erleichtert, pflegen sie doch die Hoffnung, daß gegenwärtig eine einmalige Chance für einen Durchbruch im gestörten deutsch- tschechischen Verhältnis besteht. Martialische Umzüge könnten da gefährlich sein. „Fast alles“, so meint Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer (Bündnis 90/Die Grünen), hänge vom Verlauf des Treffens ab.
Auf den zweiten wichtigen Termin zum deutsch-tschechischen Verhältnis sind auch die Sudetendeutschen „sehr gespannt“ (SL- Presseprecher Konrad Badenheuer): Am Donnerstag gibt Helmut Kohl im Bundestag eine Regierungserklärung zum Thema Vertriebene ab, in der er sich zwar nicht zu Entschädigungsfragen, aber grundsätzlich zu den Beziehungen zu Prag äußern will.
Der Kanzler könnte nachholen, was seine Regierung in den vergangenen Monaten sträflich versäumt hatte: Auf die deutlichen Versöhnungssignale, die Präsident Václav Havel Mitte Februar mit einer Rede in Prag nach Westen sandte, blieb Bonn jede adäquate Antwort schuldig. Nur weil die Grünen im Bundestag drängten, bequemte sich endlich Außenminister Klaus Kinkel im März zu einer Erklärung, die so harsch ausfiel, daß die SL einem liberalen Außenminister erstmals uneingeschränktes Lob zollte. Statt mit der Bereitschaft zur Entschädigung der rund 17.000 tschechischen NS- Opfer ein Versöhnungssignal zu setzen, bekräftigte Kinkel das von den Vertriebenen und ihrem Schutzpatron CSU vertretene Junktim: Kein Ausgleich für die NS-Opfer ohne Genugtuung für die Sudetendeutschen.
Über diesen Stillstand sind die deutsch-tschechischen Beziehungen nun aber hinaus. Regierungschef Václav Klaus bedauerte die Vertreibungen und stellte ein Rückkehrrecht für einen Teil der Vertriebenen in Aussicht. Bundespräsident Roman Herzog forderte in offenem Gegensatz zum Kabinett eine Entschädigung der NS- Opfer – ohne jedes Junktim.
Bundesregierung und Bundestag haben in den vergangenen Wochen gemeinsam mit Prag Pläne erarbeitet, die einen Weg in die Zukunft weisen könnte. Vorbereitet wird eine gemeinsame deutsch- tschechische Stiftung, die Geld für Krankenhäuser, Reha-Zentren und für Überlebende des Nazi- Terrors verwalten soll. Eine gemeinsame Erklärung beider Parlamente im Herbst könnte das Versöhnungswerk abrunden.
Von der Regierungserklärung erwarten die Sudetendeutschen nun, „daß Kohl nicht deutlich hinter dem zurückbleibt, was Kinkel gesagt hat“. Die Zugeständnisse aus Prag gehen der SL nicht weit genug. Sie fordern ihre Anerkennung als Gesprächspartner der Prager Regierung und die Rücknahme der Benes-Dekrete, die die Vertreibung und Enteignung der Deutschen legitimierten. Sollten sich die Vertriebenen aber beim Kanzlerwort nicht vertreten fühlen, steigt die Gefahr der schrillen Töne beim Pfingsttreffen. Noch heißt die SL-Linie: Die Reden in München sollen so moderat ausfallen, daß die Sudetendeutschen nicht als Verhinderer der Aussöhnung gebrandmarkt werden können. Hans Monath
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