piwik no script img

Verurteilter Neonazi auf freiem Fuß

■ Arnulf Priem gegen 5.000 Mark Kaution haftverschont

Der Neonazi Arnulf Priem, der vor einer Woche zu einer Haftstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt worden war, befindet sich auf freiem Fuß. Gegen Zahlung von 5.000 Mark Kaution wurde Priem einen Tag nach der Urteilsverkündung aus der U-Haft entlassen. Das bestätigte gestern Justizsprecher Rüdiger Reiff gegenüber der taz. Innerhalb der nächsten Wochen müsse Priem mit Strafantritt rechnen.

Die Kammer unter dem Vorsitzenden Richter Hans-Joachim Brüning hatte bei der Urteilsverkündung wegen der Bildung eines bewaffneten Haufens, Verunglimpfung des Staates und von Verfassungsorganen sowie der Verwendung von Nazi-Symbolen vor der Gefährlichkeit Priems gewarnt. Dieser werbe in der „Maske des Biedermannes für rechtsradikale Gesinnung“. Brüning wollte jedoch damals schon nicht ausschließen, daß durch eine Kaution die Fluchtgefahr vermindert werden könnte. Brüning ist zwar nach wie vor überzeugt, daß Priem keinesfalls „geheilt“ sei. Doch angesichts seiner finanziellen Lage sei die Fluchtgefahr durch die Kaution „erheblich reduziert“. Der gelernte Industriekaufmann hatte vor Gericht angegeben, von Arbeitslosenhilfe zu leben. Als weiteren Grund für die Haftverschonung nannte Brüning die lange Dauer der U-Haft. Priem wurde im August letzten Jahres verhaftet. Der einschlägig vorbestrafte 47jährige mußte lediglich seinen Paß und Personalausweis abgeben und hat die Auflage, sich zweimal in der Woche bei der Polizei zu melden. Auflagen, sich nicht politisch zu engagieren, wären „unzulässig“, so Brüning: „Er wird sich schon aus Vernunftsgründen zurückhalten.“

Gestern um 0 Uhr lief die Revisionsfrist ab. Bis zum Redaktionsschluß war kein Antrag auf Revision eingegangen. Priems Anwalt Aribert Streubel wollte sich zu einer möglichen Revision nicht äußern. Zu seinem Mandanten habe er derzeit keinen Kontakt.

Helmut Hildebrandt (SPD), Vorsitzender des Innenausschusses, findet es „bedenklich, wenn Leute, die sich in der rechten Szene bewegen, gegen Kaution freigesetzt werden“. Wolfgang Wieland, Mitglied des Innenausschusses (Bündnis 90/ Die Grünen), zeigte sich „überrascht“. Priem habe schon „viel zu lange Narrenfreiheit genossen“. Barbara Bollwahn

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen