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Große moralische Unterstützung, kleine Ideen

■ Selbst die Organisatoren des autofreien Monats in Friedrichshain glauben nicht so recht an den Erfolg / Diskrepanzen zwischen dem Beschluß und der Realisierung

Ist der für Juni geplante autofreie Monat in Friedrichshain nur ein Lippenbekenntnis als Beitrag zur UN-Weltklimakonferenz und die Aktion „Mobil ohne viel Energie“ (Move) bereits im Vorfeld zum Scheitern verurteilt? Während Gesundheitsstadtrat Dieter Hildebrandt (PDS) auf die Wirkung der Plakate und 500 Postwurfsendungen setzt, die noch diese Woche in dem 110.000 Einwohner zählenden Bezirk verteilt werden sollen, beklagt sich Jutta- Monika Gutsche, zuständig für die Organisation, über die „wahnsinnig kurze“ Vorbereitungszeit. Obwohl 40 der 45 Bezirksverordneten bereits Anfang März den Antrag der Fraktion Bündnis Friedrichshain beschlossen hatten, sei ihre Abteilung erst Anfang Mai informiert worden. Angesichts der schwachen Resonanz auf den bundesweiten autofreien Sonntag hält die Planungsdezernentin einen ganzen Monat ohne fahrbaren Untersatz „für Wahnsinn“. Aber beschlossen sei beschlossen.

Wie die Jungfrau Maria zum Kind kam die Koordinatorin für die Psychiatriedienste im Bezirk dazu, das zu übernehmen, was eigentlich Aufgabe des Umweltamtes ist. Der Gesundheitsstadtrat erklärt diese unbefleckte Empfängnis so: Das Umweltamt könne das Projekt nicht organisieren, weil es vor einigen Wochen dazu verdonnert worden sei, zusätzliche Ordnungsaufgaben ohne Personalaufstockung zu übernehmen.

Auch Hildebrandt räumt „mögliche Diskrepanzen zwischen dem Beschluß und der Realisierung“ ein. „Wer das verbrochen hat, sollte es auch mittragen“, so sein Kommentar zur Stimmung im Bezirksamt. Von „skeptischen Bemerkungen“ bis hin zu „selbstverständlicher Zustimmung“ sei so ziemlich alles auf dem Stimmungsbarometer zu finden. Für Hildebrandt ist angesichts der „Härte so eines Tests“ bereits die Teilnahme von 80 Friedrichshainern ein Erfolg. Entscheidend sei, sich dem Experiment länger als ein Wochenende zu stellen. Er selbst wird die vier Wochen mit Fahrrad oder zu Fuß unterwegs sein.

Lutz Forstbauer von der Fraktion Bündnis Friedrichshain schraubt seine Erwartungen sogar auf 50 temporäre autolose Friedrichshainer runter. Denn Alternativen zum Auto hat auch er nicht zu bieten. „Wir können das Angebot, das da ist, nicht verändern.“ Gedanken zur Umsetzung der Aktion, die immerhin seine Fraktion vorgeschlagen hat, habe er sich schon gemacht. Welche, verrät der Fahrradfahrer aber nicht. Die Leitung liege in den Händen des Gesundheitsamtes, redet er sich raus.

An moralischen Unterstützern mangelt es wahrlich nicht. Natürlich findet Carsten Petersen von „Stattauto“ die Aktion „gut“. Aber er glaubt nicht, daß sich viele Friedrichshainer daran beteiligen, wenn keine entsprechenden Alternativen geboten werden. Auch die BVG läßt sich zu einem „löblich“ hinreißen. Doch Pressesprecher Claus Wazlak vermutet hinter der Aktion „viel heiße Luft“. Sollten jedoch wider Erwarten „sonst leere Bahnsteige schwarz vor Leuten“ sein, könne die BVG kurzfristig reagieren. Wie dem auch sei, am 16. und 28. Juni sollen die 50, 80 oder wieviel auch immer Friedrichshainer, die den Juni ohne Auto durchleben, auf öffentlichen Bürgerversammlungen über ihre Erfahrungen sprechen. Barbara Bollwahn

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