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Teuere Mieten für den Osten

Auch die Proteste von 10.000 Berlinern werden nicht verhindern, daß der Bundesrat heute dem Mietenüberleitungsgesetz zustimmen wird  ■ Von Christoph Seils

Die PDS-Matadoren Gregor Gysi und Stefan Heym sparten nicht mit deutlichen Worten über das „Mietenmonopoly der Abzocker in Bonn“. Rund 10.000 Ostberliner waren am Mittwoch abend ihrem Aufruf gefolgt und demonstrierten gegen das Mietenüberleitungsgesetz und die damit drohenden Mieterhöhungen. Ihr Protest wir wohl unerhört bleiben, heute passiert das Gesetz den Bundesrat. Das Mietenüberleitungsgesetz war eine schwere Geburt. Zwar hatten sich die Bauminister des Bundes und der Länder bereits im Sommer 1992 im sogenannten Magdeburger Kompromiß auf die schrittweise Einführung des Vergleichsmietensystems in den neuen Bundesländern geeinigt, doch mochte man das vergangene Superwahljahr nicht mit einer Mietendiskussion belasten. Statt also das Mietensystem gründlich zu reformieren, die Mieten exakter an Wohnwert, Ausstattung, Zustand und Lage zu orientieren, wie es etwa Bündnis 90/ Grüne forderten, wurde das Gesetz in diesem Jahr auf die schnelle zusammengestrickt. Es sieht im wesentlichen lineare Mieterhöhungen vor.

Um 15 Prozent sollen die Grundmieten in Ostdeutschland ab dem 1. August steigen dürfen, wenn sich an Hausfassade, Dach, im Treppenhaus, bei den Fenstern und den Installationen keine erheblichen Mängel zeigen. Was ein erheblicher Mangel ist, war bereits 1993 durch die noch geltende 2. Grundmietenverordnung festgelegt worden. Allerdings streiten sich viele Mieter im Osten noch heute vor Gericht um die Anerkennung der Mängel an ihrem Haus.

Ab 1. Januar 1997 kann die Miete in Gemeinden mit mehr als 20.000 Einwohnern noch um weitere fünf Prozent erhöht werden. Vielerorts steigen die Mieten zum Beispiel in Ostberlin auf ein Niveau, das teilweise über dem im Westteil der Stadt liegt.

Politischen Streit gab es in den letzten Wochen um die Kappungsgrenze bei Neuvermietungen. Und vor allem die FDP drängte darauf, auf eine Kappungsgrenze zu verzichten. Doch SPD-Opposition und die CDU einigten sich schließlich auf jene 15 Prozent, die ein Vermieter beim Mieterwechsel auf die Miete maximal aufschlagen darf. Doch selbst bei dieser Obergrenze befürchten die Grünen und die PDS, daß das Mietniveau in ostdeutschen Ballungszentren schnell explodieren könnte. Mit den aus Westdeutschland bekannten drastischen Folgen würde dann auch 1998 die Einführung des Vergleichsmietensystems in den neuen Bundesländern einhergehen.

Ein Lichtblick scheint, sieht man von den zahlreichen Schlupflöchern einmal ab, die Festlegung einer Kappungsgrenze bei den Modernisierungskosten zu sein. Bislang konnten diese mit elf Prozent voll auf die Jahreskaltmiete umgelegt werden, was in den neuen Bundesländern teilweise dazu führte, daß sich durch Luxusmodernisierungen die Mieten in einigen Fällen mehr als verdoppelten. Jetzt soll zumindest für die kommenden zweieinhalb Jahre die Miete bei Modernisierungen um nicht mehr als drei Mark pro Quadratmeter steigen. Doch selbst dies bedeutet für Mieter, daß sie nach Abschluß von Modernisierungsmaßnahmen zum Beispiel für eine 75 Quadratmeter große Wohnung bis zu 225 Mark mehr bezahlen müssen. Doch die Wohnungswirtschaft jammert, angesichts der maroden Bausubstanz im Osten, reiche selbst die vorgesehene Erhöhung nicht aus, zumal bei Wohnungen ohne Bad oder ohne Zentralheizung die Mieterhöhung nur fünf Prozent geringer ausfallen dürfe. In Berlin betrifft dies 40 Prozent aller Haushalte.

Für die PDS sind die kommenden Mieterhöhungen ein Wahlkampfthema. „Die Mieten explodieren, die Mieter auch“, prangt es auf Plakaten überall in den neuen Bundesländern von den Litfaßsäulen. Daß die Wohngeldregelungen im Osten vielfach günstiger sind als in den alten Bundesländern, verschweigen die Genossen dabei jedoch gerne. [Das ist doch kein Grund, das einfach zu übernehmen. d.sin]

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