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Senat will doch entlassen

■ Der Senat hält an Entlassungen im Öffentlichen Dienst fest / Der Bruch eines politischen Versprechens? / Künftig Orden statt Lohn? Von Florian Marten

Mit „betriebsbedingten Kündigungen“, „Sozialplänen“ und der „einvernehmlichen Beendigung von Arbeitsverhältnissen gegen Abfindungen“ will der Senat die Vernichtung von Arbeitsplätzen im Staatsdienst beschleunigen. Dies dokumentieren Senatsprotokolle, die der taz vorliegen. Die ursprüngliche Absicht, Einsparungen von 200 Millionen Mark allein durch die Sperrung von freiwerdenden Stellen zu erreichen, hat sich als undurchführbar erwiesen.

Mit diesen Plänen kippt der Senat frühere Versprechungen und ein sozialdemokratisches Tabu, welches Entlassungen bei allen Sparaktionen seit 1982 ausschloß. Für erhebliches Aufsehen in Senat und Öffentlichem Dienst hatte die Veröffentlichung dieser Absichten am 24.Februar in der taz gesorgt. Umgehend hievte der Senat das Thema auf seine Tagesordnung vom 28.Februar und gab in der anschließenden Landespressekonferenz vollmundig Entwarnung: Entlassungen stünden nicht an.

Ganz anders der Schnack ein paar Wochen später hinter Rathausmauern in kleinem Kreis. Die Senatskommission für den Verwaltungsdienst, gebildet von den Senatoren Ortwin Runde (Finanzen), Hartmuth Wrocklage (Inneres, Verwaltung) und dem Staatsrätequartett Prill, Raloff, Reimers und Gustafsson hatte sich eingefunden, um noch einmal über die Senatsdrucksache 95/0236 zu behandeln, jene kurz zuvor von der taz veröffentlichte, 25 Punkte umfassende Giftliste „Zur Senkung von Personalkosten“. Mit listigem Zwinkern betonte Runde gleich zu Beginn, daß die Herrenriege glücklicherweise den Ausnahmestatus einer Kommission „mit beschließender Funktion“ besitze und somit befugt sei, Senatsentscheidungen zu treffen.

Dann schüttete Wrocklage sein Herz aus und mahnte, daß „insbesondere die durch Indiskretion bekanntgewordenen Aussagen zur Kündigung von Arbeitsverhältnissen aus betriebsbedingten Gründen zu Irritationen bei Beschäftigten und den gewerkschaftlichen Spitzenorganisationen geführt habe“. Wolfgang Prill schob Informationen aus seinem Spießrutenlauf bei den Gewerkschaften nach. Lange wogte die Debatte hin und her, bis sich das Sparsextett schließlich auf eine klare Aussage einigten: Betriebsbedingte Kündigungen sind möglich, es sei denn, sie fallen unter den „Rationalisierungsschutz für Arbeiter und Angestellte“.

Auf Deutsch: Die Senatskommission beschloß, keine über die Tarifverträge hinausgehenden Kündigungsschutzversprechen abzugeben. Betriebsbedingte Kündigungen sind demnach bei Privatisierung und beim Wegfall von Aufgaben möglich. Klartext auch in Sachen Rausschmiß per Abfindung: Die Herrenrunde erteilte dem Personalamt des Senatsamtes für den Verwaltungsamt den Auftrag, „in geeigneten Bereichen“ konkret zu prüfen, ob und wie „ein Personalabbau durch Vereinbarung eines Sozialplans oder eine einvernehmliche Beendigung von Arbeitsplatzverhältnissen erleichert werden kann“.

Pläne, das Urlaubs- und Weihnachtsgeld anzutasten sowie die Eingangsbezahlung im Öffentlichen Dienst deutlich zu senken, wurden fallengelassen, weil sich die Hamburger Scharfmacher damit noch nicht einmal bei der Tarifgemeinschaft deutscher Länder, dem Dachverband der öffentlichen Arbeitgeber, hatten durchsetzen können.

Ganz zum Schluß entdeckten die sechs Herren dann doch noch ihr Herz für die mehr als 90 000 Beschäftigten im Stadtstaatsapparat. An „Behörden und Ämter“ ging der Auftrag, „Vorschläge für immaterielle Leistungsanreize mitzuteilen“. Wir werden berichten, ob Fleißkärtchen, neue Orden oder gar Anleihen beim Realsozialismus (“Held der Verwaltungsarbeit“) oder MacDonald (Fotoaushang mit der Sachbearbeiterin der Woche) das Rennen machen.

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