: Ein Kanzler fliegt über den Jordan
■ Nahostgipfel mit Kohl: Jordaniens König Hussein und Israels Ministerpräsident Rabin bitten um Geld
Tel Aviv (taz) – Als sich gestern Bundeskanzler Helmut Kohl, Israels Ministerpräsident Jitzhak Rabin und Jordaniens König Hussein die Hände reichten, hätten sie dem Hauptobjekt ihrer Gespräche kaum näher sein können. Bakura- Naharaim, ein israelischer Ort an der Grenze zu Jordanien, liegt in unmittelbarer Nähe der Mündung des Yarmukflusses in den Jordan. Und so betonten alle drei Staatsmänner denn auch, daß die Region in Zukunft neben Frieden vor allem eines brauche: mehr Wasser.
Pläne für eine bessere Wasserversorgung wurden im vergangenen Oktober unterzeichneten jordanisch-israelischen Friedensvertrag vereinbart. Interessiert ließ sich Kohl gestern erläutern, wie in Bakura-Naharaim zwei Staubecken entstehen sollen. Desweiteren sind zahlreiche Staudamm-, Reservoir- und Leitungsprojekte geplant sowie der Bau von Entsalzungsanlagen für nördlich des Tiberiassees gelegene Quellen. Von den Maßnahmen soll vor allem das wasserarme Jordanien profitieren. Die Kosten von ungefähr 400 Millionen US-Dollar soll die Europäische Union und insbesondere Deutschland tragen. Eine entsprechende Bitte hatten der israelische Außenminister Schimon Peres und Jordaniens Kronprinz Hassan am 15. März in Bonn unterbreitet. Kohl sagte gestern nicht, wieviel Geld die Bundesregierung beisteuern wird. Er erklärte jedoch, Bonn sei mit 28 Prozent an den EU-Ausgaben beteiligt. Außerdem sagte er dem mit 480 Millionen Mark in Deutschland verschuldeten Königreich Gespräche über Schuldenerlasse zu. Die EU arbeitet derzeit an Machbarkeitsstudien zu den Wasserprojekten. Da Resultate erst zum Jahresende erwartet werden, können Finanzentscheidungen frühestens Anfang nächsten Jahres fallen.
Das gestrige Treffen dauerte 30 Minuten und fand just am 28. Jahrestag des Beginns des Sechstagekriegs statt. Kohl war aus der jordanischen Hauptstadt Amman gekommen und sollte über den Jordan in die israelische Küstenstadt Akko weiterreisen. In seiner Rede äußerte er die Hoffnung, daß sich die wirtschaftlichen Beziehungen Deutschlands mit der in den Friedensprozeß einbezogenen Region über Wasserprojekte hinaus entwickeln werden. Um diesen Worten Verträge folgen zu lassen, hatte Kohl führende Vertreter der deutschen Industrie mit auf die Reise genommen. In Israel wurde bekannt, daß ein Abkommen zum Bau eines Magnesiumwerks des VW-Konzerns in Partnerschaft mit einem israelischen Chemiekombinat unterzeichnet werden soll.
Rabin will Kohl um Intervention für eine baldige Unterzeichnung eines erweiterten israelischen Wirtschaftsabkommens mit der EU bitten. Zudem hofft er auf Fortsetzung des bisher alljährlich zu sehr günstigen Bedingungen gewährten deutschen Hilfskredits in Höhe von 140 Millionen Mark. Angeblich hatte Bonn vor einiger Zeit darauf hingewiesen, daß deutsche Hilfe in Zukunft vornehmlich für regionale Entwicklungsprojekte zur Verfügung gestellt werden soll. In Jerusalem will man dem Kanzler jedoch klarmachen, daß Israel weiterhin auf direkte deutsche Hilfe angewiesen ist. Offiziell beginnt der dreitägige Kohl- Besuch erst heute mit einer Begrüßungszeremonie im Jerusalemer Rosengarten und einem Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. Amos Wollin
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