: Matthiesen legt die Hürde für Rot-Grün hoch
■ SPD-Fraktionschef in Nordrhein-Westfalen verlangt von den Grünen Zustimmung zum Braunkohletagebau Garzweiler / Clement sieht das anders
Düsseldorf (taz) – Mit sehr unterschiedlich akzentuierten Bekenntnissen zur zukünftigen Energiepolitik in NRW hat die nordrhein-westfälische Führungsriege der SPD für Verwirrung gesorgt. Während SPD-Fraktionschef Klaus Matthiesen gestern von den Grünen quasi ultimativ die Zustimmung zum Braunkohletagebau Garzweiler II verlangte, kamen vom Chef der Düsseldorfer Staatskanzlei, Wolfgang Clement, deutlich moderate Töne. Wörtlich sagte Matthiesen gegenüber der WAZ: „Die Grünen müssen Garzweiler akzeptieren, wenn sie in NRW mitregieren wollen.“ Ein Widerruf der Genehmigung für Garzweiler würde Matthiesen zufolge „ein verheerendes Signal für das Industrieland NRW“ setzen und hätte „verheerende Folgen für die Elektrizitätswirtschaft und die Arbeitsplätze“.
Deutlich andere Töne schlug dagegen Clement, der engste Vertraute von Johannes Rau, an. Zwischen der SPD und den Grünen gebe es so „wichtige Gemeinsamkeiten in der Energiepolitik“, daß daraus ein „tragendes Moment“ einer rotgrünen Koalition erwachsen könne. Beide Partner wollten ein „wirkliches Umsteuern in der Energiepolitik“. Beim Problem Garzweiler empfahl Clement allen Beteiligten das genaue Studium der Genehmigungsurkunde – für die im übrigen Matthiesen als Umweltminister wesentlich Verantwortung trägt. Danach ist die Abbaugenehmigung rückholbar, wenn sich die Prognosen über den Energiebedarf als falsch und/oder die Umweltschäden gravierender als angenommen herausstellen sollten. Bezüglich des Stromverbrauchs basiert die Genehmigung auf einer Wachstumsrate von jährlich 0,5 Prozent. Während Matthiesens Muskelspiele offenbar auf die Unterwerfung der Grünen abzielen, weisen die Clement-Äußerungen, für die heute beginnenden Gespräche in der Energiearbeitsgruppe den Weg zu einem Konsens. Gelänge es den Grünen, praktisch umsetzbare Alternativkonzepte zur Schließung der bei der Genehmigung unterstellten Energielücke zu präsentieren – das landeseigene Wuppertaler Institut für Klima, Umwelt und Energie hat dafür Vorschläge gemacht –, wäre eine „Zug-um-Zug-Lösung“ denkbar. Am Anfang der rot-grünen Koalition stünde dann weder ein klares Nein noch ein Ja zu dem umstrittenen Projekt, sondern lediglich die Einigung über ein Verfahren. Unterstellt, die von Grünen und ökologisch orientierten Energiewissenschaftlern entworfene Energiewende erweist sich in diesem Prozeß als tragfähig, ergäbe sich die von Clement beschworene „Sachlösung“ fast automatisch: Garzweiler II wäre tot. Walter Jakobs
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