■ Mit der Braunkohle auf du und du: Von wegen Klimaschutz
Berlin (taz) – Verstärkung von unerwarteter Seite bekommen neuerdings die nordrhein- westfälischen Grünen bei ihrem Kampf gegen den Braunkohletagebau Garzweiler II. Nach Bundesumweltministerin Angela Merkel stellt nun auch der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages, Hans Peter Stihl, das geplante Riesenloch in Frage. Der mecklenburgische Ministerpräsident Berndt Seite sekundiert. Anders als die Grünen meinen die drei, daß stattdessen lieber mehr Braunkohle in den neuen Bundesländern abgebaut werden soll; das sei gut für die Arbeitsplatzlage dort. Außerdem gibt es ja noch die Atomkraft ...
Derzeit wird Braunkohle, deren Förderung sich im Gegensatz zu Steinkohle auch ohne Subventionen rechnet, etwa in gleichen Mengen in Ost- und Westdeutschland abgebaut: im rheinischen Revier zwischen Köln, Aachen und Mönchengladbach und in der brandenburgischen und sächsischen Lausitz sowie im mitteldeutschen Braunkohlerevier bei Leipzig. Mit über 200 Millionen Tonnen jährlich hält Deutschland mit weitem Abstand den Spitzenplatz bei der weltweiten Braunkohleförderung.
In der Lausitz wurde dafür eine Fläche von der Größe des Saarlandes in eine Mondlandschaft verwandelt. Nur ein Teil davon ist rekultiviert worden – so entstand etwa der Senftenberger See. Über 21 Milliarden Kubikmeter Wasser, die für die Buddelei abgepumpt wurden, fehlen in der Region. Angela Merkel überzeugte sich am Mittwoch persönlich davon, daß die Sanierung der Mondlandschaften prächtig gedeiht. An anderer Stelle kann dann fröhlich weitergewühlt werden. Mehrere Lausitzer Dörfer sollen dem in Kürze zum Opfer fallen, etwa Lakoma und Horno.
Auch im Westen müssen Dorfbewohner weichen, wenn die Bagger in Garzweiler II anrücken, insgesamt 7.600 Menschen. Garzweiler II sei nötig, wenn man im Rheinland bei der bisherigen Fördermenge bleiben will, sagt die Abbaugesellschaft Rheinbraun, eine RWE- Tochter, der auch ein großer Anteil der Lausitzer Gesellschaft Laubag gehört. Denn bald sind zwei andere Gruben, Garzweiler I und Bergheim, leer.
Der Merkelsche Vorschlag, die westdeutschen Braunkohlekraftwerke mit voller Last weiterzubetreiben und einfach ostdeutsche Braunkohle zu benutzen, ist dabei aber eine klimapolitische Idiotie. Denn die Energieausbeute der Braunkohle ist schlecht; eine Tonne davon entspricht nur 0,3 Tonnen Steinkohleeinheiten. Und im Vergleich zu Erdgas produziert sie bei der Verbrennung mehr als die doppelte Menge des Treibhausgases CO2. Nur weil derzeit die Braunkohle in unmittelbarer Nähe der Förderstätte in Kraftwerken verbrannt wird und somit der Energieverbrauch für den Transport gering ist, wird die Klimabilanz ein wenig aufgebessert. Wenn Merkel nun aber vorschlägt, die wegen ihres Wassergehalts von durchschnittlich 55 Prozent sehr schwere Braunkohle quer durch die Republik zu karren, kann sie den Klimaschutz jedenfalls an den Nagel hängen. Nicola Liebert
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen