: Jetzt schon Kuchen backen
■ Die Bäuerinnen im Umland gründeten eine Service-GmbH: Hauswirtschaft, Landtourismus, Direktvermarktung / „Wie beim Maschinen-Ring der Männer“
Eigentlich begann alles mit der Schweinepest. Im Landkreis Diepholz wurden viele Bäuerinnen „arbeitslos“, denn die Schweinemast lag vor allem unter ihrer Obhut. Die Ställe leer, finanzielle Engpässe auf den Höfen – 1.600 organisierte Bäuerinnen entschieden sich nicht fürs Lamento, sondern für die Aufmüpfigkeit. Zuerst in Diepholz, dann im Kreis Nienburg und in Syke gründeten die Bäuerinnen eine Landfrauen-GmbH. „Und das heißt: Jetzt schon Kuchen backen“, sagt Marie-Luise Rust, Bäuerin aus Anemolter bei Stolzenau.
Die Landfrauen brauchen Startkapital. Mit dem Zauberwort „GmbH“ verbinden sie inzwischen: ein Büro, eine Geschäftsführerin, professionelle Organisation – und dann erst zusätzliche Einnahmen. „Wir bieten unsere Dienste an.“ Die Gruppe „Hauswirtschaft“ zum Beispiel. „Wir können uns da stundenweise einbringen, damit die ganzen privaten Familienfeste wie Nullgeburtstage, Konfirmation oder Taufe wieder zu Hause gefeiert werden können“, erklärt Marie-Luise Rust. „Wir haben ja viel Platz, aber alleine schafft man das an dem Tag nicht.“
Die Gruppe „Landtourismus“ wiederum will dafür sorgen, daß die StädterInnen nicht nur auf dem Dorfplatz aus ihrem Bus ausgeladen werden und in die nächste Wirtschaft wandern, sondern Sehenswürdigkeiten gezeigt bekommen. „Damit die sehen, wie schön das Land eigentlich ist“.
Daß die Bäuerinnen sich zusammentun, ist nicht neu. Unzählige Landfrauenvereine sind über die ganze Republik verteilt. „Und die bieten mehr als ein Schützen- oder Sportverein“, sagt Erika Kleinschmidt, die lange Jahre Kreisvorsitzende in Nienburg war. Die Frauen sind sommers meist unterwegs, fahren nach Worpswede, besuchen ein SOS-Kinderdorf. Winters wird viel gebastelt, frau informiert sich bei Seminaren über Jugendkriminalität oder „Wie begegne ich Menschen, die unter Depressionen leiden“. Im Haus der Landfrauen in Goslar wird dann auch mal ein Thema wie (Land-)Frauen und Kommunalpolitik diskutiert. „Der Landfrauenverein ist unsere einzige Vertretung“, betont Erika Kleinschmidt. Erst in diesem Jahr haben sich die Frauen die selbständige Bäuerinnenrente erstritten.
Es werden immer mehr Frauen, die öffentlich von mehr Selbständigkeit, vom „beruflichen Wiedereinstieg“, von Selbstbewußtsein sprechen. „Wir sollen uns nicht unter Preis verkaufen“ – Marie-Luise Rust möchte, daß wahrgenommen wird, daß fast alle Bäuerinnen die Meisterprüfung in der ländlichen Hauswirtschaft haben. „Wir wissen noch, wie man ein Huhn schlachtet, wir kennen uns in Vorratshaltung aus, wir backen selbst. Das sind doch Dinge, die wir anderen Leuten anbieten können.“
Marie-Luise Rust hat sich der Gruppe „Direktvermaktung“ angeschlossen. Die Bäuerin möchte Geflügel halten und auf dem Markt verkaufen. Erste Erfahrungen als Marktfrau sammelt sie bereits: Sie verkauft neuerdings Waffeln auf dem Wochenmarkt in Stolzenau. „Wir denken, wenn die Hausfrauen mit ihren Kindern morgens dahin gehen, wollen die sich doch auch gerne mal setzen, –ne Waffel essen und klönen.“ Bauer Friedrich Rust befürwortet das zwar, ist aber noch skeptisch: Man wisse ja nicht, ob das wirklich genutzt werde.
Ihm wurde wohl zugetragen, die Frauen über Vierzig müssen doch unbedingt noch was machen, schmunzelt Marie-Luise Rust. Sie mußte sich tatsächlich überlegen, was sie morgens um halb neun nach zwei Stunden Stallarbeit mit sich anfängt, wenn die 600 Schweine und 25 Kühe versorgt sind. Die drei Kinder sind erwachsen. Die Eltern der Bäuerin, die mit auf dem Hof leben, sind noch rüstig und kümmern sich um Küche und Garten. „Wir jüngeren ordnen uns ja nicht mehr so unter, wenn wir schon wo einheiraten müssen.“
Ungeduldig warten die Landfrauen nun auf Fördergeld aus dem niedersächsischen Frauenministerium. Dann endlich wird die Landfrauen-Service-GmbH aufgebaut als ein Netzwerk mit Datenbank, nach dem Vorbild der Maschinenringe der Männer. Kinder- und Altenbetreuung läuft bereits in Ansätzen über eine Art Schneeballsystem, die Gruppe „Hauswirtschaft“ hat auch schon eine Hochzeit mit 150 Leuten organisiert – aber die Frauen wollen Marketing, Management, Werbung, Öffentlichkeitsarbeit. Es mache zwar Spaß, über Pizzadienste und Bauernläden nachzudenken und selbstgebundene Ährensträuße vor dem Bauerntheater zu verkaufen, findet Marie-Luise Rust. Aber das müsse noch viel weiter um sich greifen, bis hin zu den alten Frauen: „Gehandarbeitet wird zum Beispiel viel auf dem Land. Wohin damit, wenn alle Verwandten eingedeckt sind? Das könnte eine Lücke sein.“ Oder Kindergeburtstage mit Ponyreiten und Hängebauchschweinstreicheln für 40 Mark pro Kind, wie sie aus Westfalen weiß. Silvia Plahl
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