Hinrichtungshosteß klagt an

■ Theater am Leibnizplatz: Gute Laune-Gastspiel mit Texten von Max Goldt

Wer weiß schon, welche Probleme eine Hinrichtungs-Hosteß so hat. Dem Verurteilten ein letztes Lächeln zu spenden und – wahlweise – eine Zigarette oder einen Schoko-Riegel, das ist ihre Aufgabe, so haben die Hostessen es gelernt. Wenn der aber Zigarrette und Schokolade will? Das kam in der Ausbildung gar nicht vor, klagt Daniela Fricke dem Moderator vom Radio. Ein Beispiel für Max Goldts Sicht der Dinge. Goldt, langjähriger „Titanic“-Kolumnist (“Aus Onkel Max' Kulturtagebuch“, später: „Informationen für Erwachsene) und mittlerweile im deutschsprachigen Raum hochgeachter Chronist des Abseitigen und ebenso gnadenloser wie feinnerviger Diagnostiker zeitgenössischen Unfugs, las allerdings nicht. Juliane Koren und Ulrich Wiggers, zwei Emsemblemitglieder vom Bochumer Schauspielhaus, verwandelten die Texte und Szenen in hochwirksame Präparate zur Lachmuskelaktivierung. Mit wenigen Requisiten und überbordender Energie machten die beiden erst richtig deutlich, was in den Texten steckt.

Daß also ihr Gastspiel in der Shakespeare Company unter „Max Goldt-Abend“ firmierte, wo doch zugkräftige literarische Altmeister wie Kurt Tucholsky und Frank Wedekind ebenfalls im geschickt zusammengestellten Programm auftauchten: erstaunlich. Und nicht unverdient für Max Goldt, dessen Sinn fürs gemeine Detail das zweite dargebotene „Radiointerview“ nochmal unterstrich. Eine Ruth Haus stellte ihre Memoiren vor. Eine in die Breite gegangene, alternde Diva, „Ikone der Adenauer-Ära“ ist sie. Lang ist's her, doch jetzt ist sie wieder im Medien-Aufwind, und damit das so bleibt, bleibt ihr nichts anderes, als nochmal tief im Sumpf der Vergangenheit zu waten – öffentlich, versteht sich. Mitleidlos darin stochern kann der Moderator, der von Goldt fein ziselierte Details mit ihrer gesamten satirischen Schärfe wiedergibt: Etwa, daß die geplante öffentliche Selbstverbrennung der Tochter Ruth Haus' ins Wasser ging, weil die Streichhölzer vom übergegossenen Benzin naß wurden. Kommentar der örtlichen Presse: „Hat mal jemand Feuer?“ Oder wie Ruth Haus mal ihren geliebten Sohnemann Bengt Alexander für ein schwüles Wochenende mal einem schwulen Journalisten auslieh, damit gewisse unerwünschte Berichterstattung unterbleibe. Vielen Dank, Ruth Haus, wir sind froh, daß es Sie gibt! Schlußwort des Moderators. Juliane Koren und Ulrich Wiggers werfen sich die ätzenden Sätze zu wie lang eingespielte Tennispartner. Die Chansons von Friedrich Hollaender und Frank Wedekind sind wohlweislich zwischen die Goldt-Szenen gestreut: auf daß sie die Schärfe ein wenig nähmen. Knapp eineinhalb Stunden verstrichen so wie im Flug; das Publikum im leider nicht ausverkauften Theater am Leibnizplatz verlangte es nach unter stürmischem Beifall nach mehr. Aber darauf gingen die beiden Bochumer gar nicht ein. „Es war schön in Bremen!“ Mehr Zugabe war nicht drin.

Alexander Musik