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Die Hausaufgaben nicht gemacht

Hochschule der Künste und Humboldt-Universität zu geforderten Einsparungen nicht bereit / Erhardt warnt: Bei Verweigerungshaltung drohen den Unis noch weit größere Einschnitte  ■ Von Ralph Bollmann

In einer Reihe saßen die vier Berliner Uni-Präsidenten gestern dem Wissenschaftsausschuß gegenüber, doch von einer geschlossenen Front kann längst nicht mehr die Rede sein. An dem einen Tisch saßen die ungezogenen Schüler, die sich den Kürzungsvorgaben der Politik nicht beugen mochten. Mit emphatischen Worten versuchten die Präsidentin der Humboldt-Universität (HU), Marlis Dürkop, und ihr Kollege von der Hochschule der Künste (HdK), Olaf Schwencke, den Abgeordneten klarzumachen, warum an ihren Hochschulen nicht mehr gespart werden könne. Am anderen Tisch hatten sich die plaziert, die ihr Klassenziel erreicht hatten und dem Wissenschaftssenator die Sparsummen bis auf die zweite Stelle hinter dem Komma zahm aus der Hand gefressen hatten. Insgeheim froh, diesmal vergleichsweise glimpflich davongekommen zu sein, mußten freilich auch FU- Vizepräsident Werner Väth und TU-Präsident Dieter Schumann kräftig stöhnen, auf daß die Parlamentarier nicht auf die Idee verfielen, bei ihnen wäre noch etwas zu holen.

Wissenschaftssenator Manfred Erhardt (CDU) versuchte den Hochschulen klarzumachen, daß alles noch viel schlimmer kommen könne, wenn sie sich seinen Vorschlägen gegenüber nicht gefügig zeigten. Haushaltsrechtlich müßten die 137 Millionen Mark, die für 1995 als „pauschale Minderausgabe“ im Wissenschaftsetat stehen, eigentlich in diesem Jahr auch tatsächlich eingespart werden.

Daß von den Universitäten jetzt nur verlangt wird, Strukturentscheidungen zu treffen, die erst bis zum Jahr 2003 finanzwirksam werden müssen, beruht auf einer „Haushaltserläuterung“, die Erhardt Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) abhandeln konnte. Wenn die Hochschulen nicht einmal dazu bereit seien, prophezeite Erhardt, könnten die Haushaltspolitiker im Hauptausschuß diesen Zusatz wieder über Bord werfen.

Die bündnisgrüne Abgeordnete Sybille Volkholz glaubt ohnehin nicht, daß Erhardts Absprache mit dem Finanzsenator Bestand hat, die wegen des entstehenden Haushaltslochs „finanzpolitisch unsolide“ sei. Sie will den Universitäten anbieten, den Entscheidungszeitraum zu strecken, da das Sparvolumen ohnehin erst in acht Jahren zu Buche schlagen soll. Andererseits sollten die Hochschulen auch die Möglichkeit bekommen, statt langfristiger „Strukturentscheidungen“ sofort wirksame Einsparungen zu beschließen: „Das Haushaltsloch besteht jetzt.“

Von den 137 Millionen Mark, die im Doppelhaushalt 1995/96 als „pauschale Minderausgabe“ für 1995 stehen, sollen durch die Fusion von Virchow-Klinikum und Charité allein 90 Millionen in der Hochschulmedizin zusammenkommen. Auf die übrigen Fächer entfallen demnach 47 Millionen Mark. Im März hatte Wissenschaftssenator Erhardt eine „Giftliste“ seiner Sparvorschläge präsentiert und den Universitäten eine Frist bis zum ersten Juni eingeräumt, sich intern auf eine andere Verteilung der Sparsumme zu einigen. Demnach sind folgende Einsparungen zu erwarten:

– An der Humboldt-Universität plant Erhardt an den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultäten die Einstellung des Studiengangs Pharmazie sowie die Verkleinerung von Biologie, Chemie, Physik, Mathematik und Informatik. Einsparungen sieht er auch bei den Agrarwissenschaftlern, Evangelischen Theologen, Geographen, Germanisten, Juristen, Ökonomen und Historikern vor. Zusammen ergibt das 44 Professuren und 27 Millionen Mark. Die HU selbst will nur elf Millionen sparen und orientiert sich dabei an der TU. Über konkrete Fächer berät heute der Akademische Senat.

– Die Freie Universität, schon durch den vor zwei Jahren beschlossenen Hochschulstrukturplan um 10.000 Studienplätze erleichtert, muß nur 5,3 Millionen Mark sparen. Der Akademische Senat beschloß, keine Wirtschaftspädagogen und keine Berufsschullehrer in Wirtschaftswissenschaft und Betrieblichem Rechnungswesen mehr auszubilden sowie sieben Wissenschaftlerstellen am Zentralinstitut für Sozialwissenschaftliche Forschung zu streichen. Evangelische Theologie, Ethnologie und Sportwissenschaft sollen auch Federn lassen.

– Auch die Technische Universität erklärte sich zu den geforderten Kürzungen in Höhe von 10,6 Millionen Mark bereit. Der Beschluß des Akademischen Senats, der noch durch ein Gruppenveto der Studierenden blockiert ist, sieht die Einstellung der Lehramtsstudiengänge Latein und Erdkunde sowie der Magisterstudiengänge Politologie, klassische Philologie, Geographie und Soziologie vor.

– Die Hochschule der Künste soll auf die Erziehungswissenschaften, die Grundschulpädogik sowie die Lehrerausbildung in Bildender Kunst und Musik verzichten. Der Akademische Senat zeigte sich kompromißlos und lehnte jeden weiteren Sparbeitrag ab.

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