: Bosnien: Verewigung des Status quo
Der Sicherheitsrat wird lediglich eine Verstärkung der Unprofor-Truppen beschließen, das Mandat soll jedoch unverändert bleiben / Berichte über serbische Hilfe für Karadžić ■ Aus Genf Andreas Zumach
Ungeachtet der Diskussion um eine „schnelle Eingreiftruppe“ und ein „entschlosseneres Auftreten“ soll nach dem Willen der internationalen Staatengemeinschaft in Bosnien-Herzegowina auch künftig der „Normalzustand“ der vergangenen drei Jahre herrschen. Knapp drei Wochen nach den Luftangriffen der Nato auf ein fast leeres Munitionsdepot bei Pale, der Geiselnahme von UNO-Soldaten sowie zahlreichen Beratungen auf internationaler Ebene schießt die Soldateska des bosnischen Serbenführers Radovan Karadžić weiterhin auf zivile Wohngebiete in den UN-„Schutzzonen“, vertreibt Muslime und Kroaten, blockiert humanitäre Hilfskonvois oder beschlagnahmt die für hungernde Zivilisten bestimmten Güter – und dieses alles unbehindert durch die derzeit 22.400 Unprofor- Soldaten.
So wird der UNO-Sicherheitsrat heute oder in den nächsten Tagen lediglich die Verstärkung der Unprofor-Truppe um bis zu 12.500 zusätzliche Soldaten autorisieren, die Frankreich, Großbritannien und die Niederlande angeboten haben. Diese Soldaten sollen zwar besser ausgerüstet werden und mobiler sein als die bislang in Bosnien stationierten Einheiten. Aber ihr Einsatz erfolgt unter dem bisherigen, unveränderten Unprofor- Mandat. Sie werden keinen Kampfauftrag erhalten. Gewaltanwendung etwa bei der Durchsetzung von Hilfskonvois oder beim Schutz der UN-Zonen ist nicht erlaubt – außer, wenn die UNO-Soldaten selber angegriffen werden. Die Stationierung der Verstärkungseinheiten (also auch ihrer Standorte) bedarf der Zustimmung der bosnischen Kriegsparteien und somit auch der Karadžić-Serben.
Auch eine künftig verstärkte Unprofor hat damit keine Möglichkeit, humanitäre Hilfe auch gegen den Willen der Karadžić-Serben an ihren Bestimmungsort zu bringen. Ein letzten Donnerstag von den Serben zugesagter Landkorridor nach Sarajevo war auch gestern noch nicht eröffnet. Statt dessen leiteten die Serben einen für die eingeschlossene Zivilbevölkerung in der ostbosnischen Enklave Zepa bestimmten Hilfskonvoi um und erzwangen die Übergabe der Hilfsgüter an ihre von Karadžićs Frau geführten „Rote Kreuz“-Organisation.
Von einer Sitzung der Internationalen Jugoslawienkonferenz von UNO und EU am heutigen Dienstag in Genf wird eine Stellungnahme der beiden Kovorsitzenden Owen (für die EU) und Stoltenberg (für die UNO) über die jüngsten Berichte über anhaltende Waffenlieferungen Serbiens an die bosnischen Serben erwartet. Seit der im August 94 von Milošević verkündeten Totalblockade der Grenze zwischen Serbien und Bosnien hatten Owen und Stoltenberg in mehreren Berichten an den UNO-Sicherheitsrat behauptet, der serbische Präsident halte sich an seine Zusagen. Die New York Times hatte am Sonntag unter Berufung auf US-amerikanische und europäische Geheimdienstquellen darüber berichtet, daß die Karadžić-Serben weiter Waffen (darunter Boden-Luft-Raketen) und Munition erhalten. Außerdem würden Karadžićs Soldaten aus Belgrad bezahlt. An der Sitzung in Genf nimmt auch der ehemalige schwedische Premierminsiter Bildt teil, der Owen ab 1. Juli als EU- Vermittler ablöst.
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