■ Christo und der Abriß
: Berlin bleibt Berlin

„New York ist New York, Rom ist Rom, und Berlin ist ein Fragezeichen“, schrieb erst unlängst das Time Magazine. Ganz trefflich möchte man meinen, aber womöglich doch etwas voreilig. Besser wäre es gewesen, das renommierte US-Magazin hätte vor der Bewertung dessen, was Berlin sein oder nicht sein könnte, die Modenschau am Reichstag abgewartet. Dann nämlich ist auch Berlin Berlin, mit allem Drum und Dran. Politiker in Pose, vor sich die Fernsehkamera, hinter sich der Reichstagsbau und hinter dem deutschen Volke der Abrißbagger.

Berlin ist eine Reise wert. Auch wenn Nordrhein-Westfalen vom Emsdettener Rohstoff mehr Aufhebens macht als der Senat Reklame mit dem fertigen Tuch. Berlin tut deshalb so gut, weil dort keine Politiker regieren, sondern Pennäler, die immer dann patzen, wenn es an die Prüfung geht. Dabei hätten sie ahnen können, welches Bild die Stadt abgibt, wenn Christo hüben verhüllt, während man drüben die Katze aus dem Stoffsack läßt. Die Abrißpläne für die beiden Reichstagsnachbarn in der Clara-Zetkin-Straße jedenfalls werden die Berlin-Rezensenten fest im Gedächtnis behalten. Als Dessert des Senats, der den Stoff, in dem der Reichstag war, im nachhinein zur Bauplane degradiert, mit der man den Wallot-Bau vor dem Staub retten wollte, den nebenan die Abrißbirne aufgewirbeln wird. Und als Hinweis dafür, daß es mit der Gemütlichkeit in den an den Reichstag grenzenden Stadtvierteln zu Ende sein wird, sobald die Scheinwerfer erlöschen. Dann wird auch die Erhaltungssatzung des Bezirks nicht das Papier wert sein, auf dem die Solidaritätsbekundungen Nagels für die Baustadträtin von Mitte gedruckt sind. Berlin ist und bleibt Berlin. Uwe Rada