piwik no script img

■ StandbildAuf Loriots Klaviatur

„Nah am Wasser“, Sonntag, 23.35 Uhr, ZDF

Wer Klavier spielt, hat Glück bei den Frauen. Im Gegensatz zu Riesenbaby Günther Schmidt. Klaviere sind zwar seine Spezialität. Allerdings nur deren Transport. Eine schwere Arbeit, die Marc Ottiker gleich zu Anfang von „Nah am Wasser“ so hautnah vermittelt, daß man als Zuschauer gewillt ist, mit anzufassen. Zugleich erweckt dieses Stöhnen, Schieben und Drücken der Möbelpacker den Eindruck von absurdem Theater. Diese Mischung aus naturalistisch korrekter Beobachtung und bissiger, loriotmäßiger Pointierung bildet die Klaviatur, auf der Marc Ottiker meisterlich spielt.

„Nah am Wasser“ ist eine tragikomisch-abgründige Liebesgeschichte, die sich aus einem Kosmos ungemein witziger Randbeobachtungen zusammensetzt. Der Film spielt in Hamburg, es ist gerade Fußball-Weltmeisterschaft, ständig hören wir die Stimme von Marcel Reif. Statt langweiliger Musik bestimmt das hessische Timbre des Sportreporters die Tonart des Films.

Ein Schulfreund nimmt Günther indes mit zur REP-Versammlung, wo einem sich dadaistisch gerierendem Nazi am Overhead-Projektor der Füller ausläuft und die rote Tinte über die abgetrennten Ostgebiete tropft: „Wenn man jetzt genau hinschaut, sieht man, daß es eigentlich überhaupt keine Streitpunkte mehr geben kann“.

Die empfindliche Balance zwischen schriller Groteske und psychologisch tragfähiger Schilderung der Charaktere gelingt, weil Ottiker (Buch und Regie) seinen Film in einen präzisen dramaturgischen Ablauf einbindet. Als Günther sich in die herzlich-dumpfe Bankmieze Franziska verliebt, erwartet der Zuschauer eine Katastrophe. Endlose Einstellungen auf verlegenes Mundwinkelzucken und Gläsernippen zeigen quälend deutlich, daß Günther mit seiner verbalen Grobmotorik überhaupt nicht in der Lage ist, die erforderliche Smalltalk-Maschine anzuwerfen.

Bis hilflos dahingeworfene REP-Parolen das Eis brechen und im Aneinander-vorbei- Stammeln die Grundlage einer rührigen Liebesgeschichte bilden. Sinnloser Haß verbindet die Einfältigen. Das ist präzise, bitterböse und herzerweichend zugleich. Denn im Gegensatz zu Einweg-Designer-Komödien à la Sönke Wortmann beobachtet Marc Ottiker real life. Selten kommt ein Film so abgebrüht und unterhaltsam zugleich auf den Punkt. Manfred Riepe

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen