„Vielleicht wird ein Jeansshop draus ...“

■ Das Junge Theater schließt seinen Erfolgsladen und geht wieder auf Wanderschaft: ein Kollektiv-Interview

Als das Junge Theater vor vier Jahren die eigene Spielstätte in der Friesenstraße eröffnete, gab ihnen keinen mehr als ein halbes Jahr. Aber sie haben durchgehalten und sich mit Sponsoren und minimalen Subventionen am Leben gehalten. Am Ende stand ein ausgeklügelter Spielplan der lukrativen Gastspielen mit Eigenproduktionen kombinierte. Daneben versuchte das Ensemble den Theaterbetrieb und die eigene künstlerische Arbeit durch die formalen Konstruktionen eines Trägervereins und kürzlich einer gemeinnützigen GmbH abzusichern. Trotzdem beschloß die Truppe jetzt, die Spielstätte im der Friesenstraße im nächsten Jahr aufzugegeben. Das Ensemble will jedoch beisammenbleiben und sich wieder ganz der eigenen Schauspielkunst und Regie zuwenden. Drei Mitglieder des Ensembles erzählen, warum sie das Erfolgsprojekt aufgeben.

taz: Es gibt einen randvollen Spielplan, Tim Fischer zieht ständig das Publikum ins Theater, warum hört man da auf?

Carsten Werner: Ja, eben.

Nomena Struß: Genau deshalb. Wenn Tim Fischer da ist, dann muß ich, neben der Betreuung von Tim Fischer, mich um die Kartenvorbestellungen kümmern, selbst spielen, Regie machen, gucken, daß genügend Getränke für den Abend vorbestellt sind, das nächste Festival organisieren. und, und, und, ... Das geht dann von 10 bis 12 Uhr nachts, sieben Tage die Woche, ohne Pause, ohne Urlaub, vier Jahre lang. Dann weiß man, warum.

Muß man denn immmer alles selbst machen, kann nicht auch mal was deligiert werden?

Erkan Altun: Tresen und Kasse, das machen schon andere Leute und ohne diese ehrenamtlichen Helfer wäre es gar nicht mehr denkbar.

Wie groß ist denn das Ensemble?

Erkan Altun: Tja, das ist jetzt wieder geschrumpft. Das hat ja auch den Ausschlag gegeben, daß wir gemerkt haben: Wir müssen was ändern. Erst waren es 20 Leute, jetzt sind wir nur noch acht. Aber bei einem Betriebsausflug, den wir jetzt gemacht haben, da waren wieder 30 Leute dabei.

Carsten Werner: Das waren mehr, eher 50. Und da hört das Delegieren dann auch auf, weil man das Delegieren von 50 Leuten auch wieder koordinieren muß.

Also es scheinen ja genügend Leute dazu sein, daran liegt es nicht. Wie sieht es mit dem Geld aus?

Nomena Struß: Ich weiß zum Beispiel überhaupt nicht, wie ich die Miete für die letzten Monate zusammengekratzt habe. Ich mache das seit Jahren jetzt, das geht an die Substanz. Im Staatsschauspiel ist das ja so: Morgens Probe, dann gehen sie nach Hause und proben abends noch mal, oder sie spielen eben. Davon träumen wir ja nur.

Und wollen Sie jetzt Staatsschauspielerin werden?

Nomena Struß: Nein, nie! Ich will, daß die Gruppe als freie eigenständige Produktionseinheit erhalten bleibt. Und, daß wir uns die Strukturen erhalten, die in der Zusammenarbeit entstanden sind. Das wäre auch noch gut, wenn vielleicht Erkan Staatsschauspieler wird (lacht) und ich dann endlich wieder eine Performance in Berlin mache oder auch als Feuerschluckerin durch die Gegend ziehe.

Was passiert jetzt genau? Das Ensemble zieht aus; spielt es trotzdem weiter?

Nomena Struß: Jetzt darf man ja nicht krank werden, dann bricht gleich alles zusammen, nur weil das Haus offenbleiben muß. Dabei sind alle Freunde, oder Leute von anderen Gruppe immer ganz neidisch, wenn man sagt, daß man ein Haus hat.

Das leuchtet mir auch noch nicht ein. Alle sagen immer, sie wollten unbedingt eine eigene Spielstätte und in Bremen gäbe es nichts.

Nomena Struß: Ja, ich weiß, da sind alle immer ganz neidisch wenn man das erzählt. Aber man muß auch sehen, welchen Preis wir dafür zahlen.

Wo werdet Ihr denn dann spielen, wenn die Friesenstrasse aufgegeben wird?

Carsten Werner: Das kommt darauf an, wer die Spielstätte übernimmt. Vielleicht wird ein Jeansshop draus, vielleicht findet sich ja auch jemand, der das als Theater weiter führt, was wir natürlich viel besser fänden. Was sicher ginge in Bremen. Bei der Szene für Kleinkunst und Chanson, die wir ja mit aufgebaut haben, wäre ein kommerzielle orientierte Theater wie das „Schmidts“ in Hamburg. Das kann man auch mit zwei Leuten betreiben. Einer macht dann die Pressearbeit und einer den Einkauf und die Organistation. Aber wir wollen das nicht machen.

Wie machen das die anderen Bremen Spielstätten, bei denen ihr dann wohl auftreten werdet?

Carsten Werner: Man muß sich nur das Lagerhaus ansehen, oder das Schnürschuhtheater: Die haben alle feste Stellen und eine Finanzierung, die die Betriebskosten der Häuser absichert. Wir haben das nicht.

Und, ist das das Ziel? Kämpft man im Jungen Theater dafür?

Carsten Werner: Ja und Nein. Ich sehe erstmal nicht, daß sich unser Problem der Mehrfachbelastung löst, wenn drei Leute aus der Gruppe ein feste Stelle haben, die vom Kultursenat bezahlt ist, um dann eine vierfache Belastung zu tragen. Ich selbst hab' ja eine ABM-Stelle. Die läuft jetzt aus. Und das ist gut so. Ich will mich nicht mehr mit den aktuellen Bereichen beschäftigen müssen, denn darunter leidet die Kreativität.

Was gibt es denn sonst noch an Modellen für freie Theater? Wie wird das zum Beispiel in Berlin gemacht?

Carsten Werner: Da gibt es eine Absicherung für ein paar Jahre, da können die langfristig über diesen Zeitraum arbeiten, dann sieht man wieder neu. Das ist sehr sinnvoll. Aber das traut sich in Bremen keiner. Wenn eine Kultursenatorin Trüpel bei uns mit nur lächerlichen 50.000 Mark versucht, in die institutionelle Förderung einzusteigen, dann war das ja genau der Ansatz. Erstmal klein anfangen und dann was aufbauen. Aber da wird sie dann von den Deputierten gleich zurückgerufen. Wir kriegen dann zwar das Geld, aber nur für imageprägende Maßnahmen. Und die Lust, nach dem Bremer Prinzip wie Schnürschuhtheater und Shakespeare Company zehn Jahre zu kämpfen und dann gefördert zu werden, haben wir nicht. Dann kommt man zwar an, aber nach zehn Jahren ist halt die kreative Phase vorbei. Das sage ich ohne denen zunahe treten zu wollen.

Wieso braucht das so lange?

Carsten Werner: Weiß ich auch nicht. Aber solange braucht es eben in Bremen, bis man erklärt hat, was man meint. Ich merke jetzt, wie ich so langsam zu jemandem werde, der irgendwelche Sprechblasen und Logos produziert, um Kulturpolitiker zu überzeugen. Und jetzt, wo wir in der Gruppe vor drei Wochen gesagt haben: „Stop, Schluß jetzt, wir machen den Kampf nicht mehr; entweder das Theater wird von der Stadt gewollt oder nicht“ – seitdem sind die Sprechblasen bei uns weniger geworden. Die Ideen für das nächste Jahr, für die Projekte, die wir noch haben wie z.B. die Reihe über „Behinderungen“ sind seitdem so viel konkreter, daß ich nur sagen kann: keinen Schritt zurück mehr. Fragen: rau