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Rodeo und Pirouetten auf dem Bananensattel

■ Einräder sind auch mit Klingel und Licht nicht alltagstauglich / Qualitätsunterschiede sind erheblich / Nur stabile Räder können springen

Es ist ein Sparrad: Ein Reifen mit Pedalen, eine Stange, darauf ein bananenförmiger Sattel; keine Kette, keine Bremse, kein Licht. Eine Klingel haben nur die wenigsten Einräder, sie ist dann an der Gabel befestigt. Wer vor dem Einrad steht, stellt sich die Frage: Wie soll ein Mensch bloß da rauf kommen?

Andreas Wolff, professioneller Einradler, macht es vor: Er hält das Einrad schräg vor seinen Körper, auf Hüfthöhe, so wie Golfspieler ihren Schläger. Mit einem Satz springt er auf, und fängt sofort an zu treten. „Viele, die zum ersten Mal fahren, suchen und suchen die Balance und merken nicht, daß die Balance allein durch die Geschwindigkeit kommt“, sagt Wolff, der Anfängern und Kindern Unterricht gibt im Einradfahren. Ein langsames Lauftempo sei ideal, um das Gleichgewicht zu halten. Während der Fahrt müßten achtzig Prozent des Körpergewichts auf den Sattel gelegt werden, nie auf die Pedale, sonst kippe das Rad um, erklärt Wolff, der unter Einradlern „Eywie“ heißt. Wer trotzdem das Gleichgewicht verliert, sollte das Rad sofort loslassen, dann fällt es nämlich alleine und der Fahrer landet auf seinen zwei Beinen.

„Bei der Fahrt sind die Beine ganz locker und wenden keine Kraft an. Also ganz anders als bei normalen Zweirädern.“ Alles klar? Und jetzt noch Haltung bitte: Kerzengerade sitzt der Profi auf seinem Reifen, Orthopäden empfehlen die Akrobatikübung auch gegen Rückenschmerzen. Als „Eywie“ zum ersten Mal im Bananensattel saß, kam er ebenfalls gerade vom Arzt und litt unter der Scheuermannschen Krankheit.

„Eywie“ jedenfalls radelt locker und macht dabei seine Kunststücke. Beim „Wheelwalker“ beispielsweise hat er die Füße nicht in den Pedalen, sondern der Reifen rollt, weil er ihn mit den Füßen nach vorne stößt. „Rodeo“ erfordert, daß der Artist neben dem Sattel steht. Um einen dieser Tricks einzustudieren braucht der gelernte Tischler ein Vierteljahr. „Das schwerste ist die Pirouette“, erzählt Wolff. Der Balancekünstler tritt gelegentlich bei Stadtfesten oder Kinderpartys auf, aber ein richtiges Publikum fürs Einrad gäbe es in Berlin nicht, bedauert er. Anders im Rhein-Main-Gebiet: „Da ist sowohl das artistische Einradfahren mit Klamauk, als auch das sportlich Einradfahren viel populärer“, weiß Wolff. Sportliches Einradfahren sei nicht etwa ein Wettrennen, vielmehr ähnele es dem Schlittschuhlaufen: „Der Kandidat denkt sich zu Musik eine eigene Choreographie aus, macht Pirouetten und hüpft auf seinem Rad übers Parkett.“ In Köln findet Ende dieses Jahres eine Meisterschaft statt.

Nur im Alltag ist das reduzierte Fahrrad schlecht zu gebrauchen. Zwar können Unermüdliche sich Klingel und Licht an der Sattelstange montieren und einkaufen fahren, aber der Nutzen ist gering. Denn im Straßenvehrkehr zugelassen sind Einräder ohnehin nicht, sie sind mit und ohne Accessoires keineswegs verkehrssicher.

Einräder verkauft fast jeder Fahrradhändler, als Fachgeschäft gilt die Jonglerie in Neukölln. Von zwölf Zoll bis 26 Zoll Reifengröße sind die schnörkellosen Gefährte zu haben, meistens einfarbig silbern. „Wer ein poppiges Einrad will, muß es sich selber anmalen“, sagt Yvonne Eckes, Mitarbeiterin in der Jonglerie. Keine Farb-, dafür aber erheblich Qualitätsunterschiede gibt es, und das macht sich dann auch beim Preis bemerkbar: Ein einfaches Taiwanrad ist schon ab rund 200 Mark zu haben, die teuren Hollandräder kosten bis zu 450 Mark. In der gehobenen Preisklasse haben die Sattelstangen keine Naht, sie sind deswegen besonders bruchsicher. Bei den billigen Rädern werden Sattel und Reifen mit einer Schweißnaht verbunden und das kann bei Kunststücken gefährlich sein. „Die sind nur zum fahren, springen kann man damit nicht“, sagt Yvonne Eckes. Eine Muffnaht verbindet die Einzelteile bei Rädern um 300 Mark. Keine Preisunterschiede gibt es bei dem Bananensattel, er ist immer gleich unbequem und häßlich. Nina Kaden

Wer Lust hat, sich auf ein Rad zu setzen, kann bei „Eywie“ anrufen. Er gibt Anfängerkurse für Kinder und Erwachsene, Telefonnummer 851 58 51.

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