: Kein Vorbild in Frankfurt
■ Großkoalitions-Beschlüsse zu Gewoba und St.-Jürgen OP wurden ohne Beteiligung der betroffenen Unternehmen gefaßt
Die Gewoba soll „nach Frankfurter Vorbild“ in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und zu 49 Prozent vorzugsweise an ihre MieterInnen verkauft werden. Mit diesem Koalitionsbeschluß waren Henning Scherf und Ulrich Nölle am Sonntag abend vor die Presse gegangen. Doch in Frankfurt hat es nie einen Beschluß dieser Art gegeben. „Sowas haben wir weder überlegt noch gemacht“, sagte der zuständige Referent des Frankfurter Stadtkämmerers, Nierhaus, auf Nachfrage der taz.
Ursache der Bremer Behauptung sei womöglich eine „Verwechslung“, so Nierhaus. Tatsächlich plant Frankfurt nämlich den Verkauf von Aktien der kommunalen Stadtwerke vorzugsweise an Frankfurter BürgerInnen. Im Unterschied zu den Bremer Gewoba-MieterInnen gibt es darunter aber natürlich auch viele Reiche, denen ein Aktienkauf gut in die persönliche Finanzplanung paßt. Ob sich dagegen unter den MieterInnen der 43.000 Bremer Gewoba-Wohnungen ausreichend InteressentInnen an einem Aktienkauf finden werden, ist äußerst unsicher.
Der Koalitionsbeschluß ist ganz offensichtlich mit heißer Nadel gestrickt. Noch nicht einmal die Gewoba-Geschäftsführung wurde vorher konsultiert. „Wir haben das alle heute morgen aus der Zeitung erfahren“, versicherte Gewoba-Sprecherin Dose gestern. Eine Stellungnahme zu den Plänen, ihre Firma in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln, konnte die Gewoba-Führung denn gestern auch nicht abgeben.
Ähnlich steht es mit dem Koalitionsbeschluß für eine private Mitfinanzierung der neuen zentralen OP im Krankenhaus St.-Jürgen-Straße. „Davon habe ich aus der Zeitung erfahren“, erklärte St.-Jürgen-Verwaltungsdirektor Bremermann gestern. Soweit er den Koalitionsplan kenne, sei ein solches Modell zwar wohl „grundsätzlich möglich“, eine konkrete Stellungnahme könne er jedoch nicht abgeben, bevor mit ihm nicht über Details gesprochen worden ist.
Tatsächlich steht der Neubau einer zentralen OP ganz oben auf der Prioritätenliste des Gesundheitsressorts. 70 Millionen Mark sind dafür kalkuliert, in 10-Millionen-Portionen über sieben Jahre zu finanzieren. Verwaltungsdirektor Bremermann erhofft sich von der neuen OP durch die besseren Abläufe im Krankenhaus einen Rationalisierungsgewinn von 1,2 Millionen Mark im Jahr. Mit der Ausgliederung einzelner Krankenhauseinrichtungen hatte Bremermann bisher jedoch kein Glück. Die von ihm geplante Privatisierung des Zentrallabors war nach langwierigen Verhandlungen im Februar letztlich am Widerstand des Personalrats gescheitert. Und auch bei der geplanten Privatisierung der Blutbank ist kein Erfolg in Sicht. Ase
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