Saft für Tränenpalast

■ Bahn AG kontert mit Bretterzaun

Heute sollten im Tränenpalast die Lichter ausgehen. Sollten! Die Deutsche Bahn AG hatte dem Kultur- und Konzertveranstalter am Bahnhof Friedrichstraße zum 3. Juli die Stromversorgung gekündigt. Wenn heute abend dennoch wie gewohnt die Jam-Session stattfinden wird, dann nur, weil das Landgericht mit einer einstweiligen Verfügung der Klage des Tränenpalastes stattgegeben hat. Aber: aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

„In keinem Vertrag steht, daß die Stromversorgung befristet sei“, rechtfertigt sich Marcus Herold, Geschäftsführer der Tränenpalast Veranstaltungs GmbH. Die Pressestelle der Bahn AG hat ihm Nachlässigkeit vorgeworfen, da man ihm angeblich bereits mehrmals empfohlen habe, sich einen eigenen Stromanschluß von der Bewag zu besorgen.

Grund für das Dilemma sind die verwickelten Besitzverhältnisse. Gemietet hat Marcus Herold die ehemalige Grenzabfertigungshalle von der Deutschen Bahn AG. Das Grundstück wiederum gehört dem Tiefbauamt, das die Gebühren für den Biergarten kassiert. Unterirdisch hat aber die Bahn das Sagen: Die Bewag darf ohne Zustimmung der Bahn keinen Anschluß legen.

Der Energiefluß ist jedoch nicht der einzige Streitpunkt zwischen den ungleichen Nachbarn, die wie David und Goliath anmuten. Seit einem Monat läßt die Deutsche Bahn AG das Gelände vor dem Tränenpalast wegen der Bauarbeiten großräumig mit einem Bretterzaun absperren. Seitdem ist der Zutritt zum Tränenpalast wieder beinahe so schwierig wie einst, muß man sich doch über einen Seitenweg zum Eingang vorpirschen.

40 Prozent Einbußen hat es bisher bei den Einnahmen gegeben. „Der Tränenpalast ist durch die Bauarbeiten kein repräsentativer Ort mehr.“ Sein Kulturprogramm finanziert Herold über Vermietungen an Firmen, die im Tränenpalast Veranstaltungen mit Bühnenprogramm organisieren, oder an Veranstalter wie die Love-Parade. Drei Buchungen sind abgesagt worden. „Wenn das so weitergeht, müssen wir sehr viel kommerzieller werden“, befürchtet Herold. „Das heißt, wir müßten Auftritte von Bands streichen und hier eine Blumenhalle aufmachen.“

Die Idee mit der Blumenhalle stammt übrigens von der Bahn AG, bevor Herold vor vier Jahren den Mietvertrag ergattern konnte. Der wurde bis zum damals noch beabsichtigten Abriß der ehemaligen Grenzabfertigungshalle ausgestellt, mindestens aber für drei Jahre. Seither hat Herold über eine Million Mark in den Umbau investiert und das Gebäude unter Denkmalschutz stellen lassen. Damit verlängert sich sein Mietvertrag also ins Unendliche. Deswegen ist Herold trotz Strom- und Bauzaunmisere seine gute Laune nicht ganz verdorben, und hat David im Kampf gegen Goliath eine Chance. „Ich habe die Bahn schikaniert“, konstatiert Herold und blinzelt in die Sonne. Monika Götze