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Dope rezeptfrei beim potheker

■ Schleswig-Holsteins Gesundheitsministerin will Haschisch und Marihuana in Apotheken verkaufen / Feldversuch in Norddeutschland geplant – doch mit dem Gesetz wird's noch eine ganze Weile dauern

Berlin (taz) – Marihuana und Haschisch sollen in Apotheken verkauft werden, in Pieces von maximal 30 Gramm. Das schlägt Schleswig-Holsteins Gesundheitsministerin Heide Moser (SPD) vor. In der Aufnahme in das Apotheken-Sortiment sieht die Gesundheitsministerin die beste Möglichkeit, die Märkte für harte und für weiche Drogen zu trennen.

Die entsprechenden Trennmöglichkeiten auszuloten war Moser im Herbst letzten Jahres von der Gesundheitsministerkonferenz aufgetragen worden; unter mehreren Varianten hatte eine Expertengruppe ihres Hauses das „Apotheken-Modell“ als die optimale erkannt. Es soll nun in einem Feldversuch im norddeutschen Raum erprobt werden. Dazu seien noch keine Änderungen des Betäubungsmittelgesetzes (BtmG) und der entsprechenden internationalen Drogenvereinbarungen erforderlich – diese müßten allerdings beschlossen werden, sollte aus dem Probe- ein Dauerzustand werden. Dann müßte, so Moser, das BtmG um einen Passus ergänzt werden, der die bislang „nicht verkehrsfähigen“ Cannabis-Produkte als „kontrollbedürftige Genußdroge“ einstuft. Die Sprecherin des Gesundheitsministeriums, Bärbel Krauskopf, hält einen Start der Testphase bereits im kommenden Jahr für denkbar – den guten Willen der Beteiligten vorausgesetzt.

Der gute Wille ist zumindest bei den Nachbarländern Hamburg und Niedersachsen vorhanden. Niedersachsens Sozialminister Hiller sieht mit der probeweisen „Teillegalisierung“ die Möglichkeit gegeben, die weiche Drogenszene aus der harten herauszutrennen. Die möglichen Probleme, so assistiert ihm der Hamburger Drogenbeauftragte Horst Bossong, seien eher gering. Immerhin gebe es in seiner Stadt bei 30.000 geschätzten Kiffern weniger als 100, die Schwierigkeiten mit ihrem Konsum hätten.

Probeweise darf Haschisch bisher nur „zu wissenschaftlichen oder anderen im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken“ in den Verkehr gebracht werden. So sieht es das BtmG vor, und Dr. Carola Lander erkennt „keinen Anlaß, das zu ändern“. Die Leiterin der Bundesopiumstelle ist zuständig für die Genehmigung des Feldversuches, und sie hadert schon mit den Begrifflichkeiten, die im Holsteinischen ersonnen wurden. „Genußdrogen“ kenne das Gesetz nicht, und bei der „Kontrollbedürftigkeit“ stelle sich die Frage, wer denn da kontrolliere. Mit Neugierde sieht Lander dem Antrag der Norddeutschen entgegen.

Über ihre Antwort macht sich der Hamburger Drogenbeauftragte Horst Bossong keine Illusionen. Auch ihm fällt kein „Forschungsdesign“ ein, mit dem er Lander den Versuch schmackhaft machen könnte. Er rät deshalb, auf den Test zu verzichten und gleich die erforderlichen Gesetzesänderungen in Angriff zu nehmen: Über den Bundesrat müßten im Betäubungsmittelgesetz Cannabis-Produkte als „verkehrsfähige und nicht verschreibungspflichtige Betäubungsmittel“ definiert werden. Das setzt die Zustimmung der Mehrheit der Bundesländer und des Bundestages voraus. In einem Entschließungsantrag müßte zudem die Bundesregierung aufgefordert werden, internationale Vereinbarungen wie das Wiener Suchtstoffübereinkommen von 1988 per Kündigung zu ändern.

Dazu sei, so Bossong, der gute Wille der Bundesregierung allerdings Voraussetzung. Und der ist nicht vorhanden. Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) steht der Initiative aus Kiel ablehnend gegenüber. Er halte daran fest, so ließ er gestern verlauten, daß es „keinerlei Freigabe harter und weicher Drogen“ gebe. Und auch in den Bundesländern südlich der Mainlinie will man von einer Liberalisierung nichts wissen. Selbst diejenigen, die von Mosers Vorschlag im wahrsten Sinne des Wortes profitieren, zeigen sich reserviert. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände ließ gestern wissen, sie wolle einer Entwicklung zur Ausweitung des Drogenkonsums nicht Vorschub leisten.

In weiser Voraussicht hat Mosers Sprecherin Krauskopf denn auch den Vollzug der erforderlichen Gesetzesänderungen terminiert: „Nicht mehr in diesem Jahrtausend“. Dieter Rulff

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