Schwule und Lesben erforschen

■ Eröffnung der Forschungseinheit für Homostudien an der Bremer Uni

Auf dem Berliner Ku-Damm war es am Samstag eine große Party, im Theatersaal der Bremer Universität ging es am Montag weniger um Fummel und Technomucke, aber ebenfalls um homosexuelle Identität: Die neue Studieneinheit Schwullesbische Studien im Fachbereich der empirischen und angewandten Soziologie (EMPAS) hatte zur Eröffnungsveranstaltung geladen.

Die Bremer Forschungseinheit ist die erste ihrer Art in Deutschland. Schwule und Lesben sind zwar im öffentlichen Leben immer mehr präsent, sie zum „offiziellen“ Forschungsgegenstand zu machen, ist jedoch noch immer neu. Bereits um die Jahrhundertwende gab es erste Forschungsaktivitäten zur Homosexualität, die jedoch 1933 abgebrochen werden mußten, so Professor Rüdiger Lautmann, Initiator der Forschungseinheit und seit 23 Jahren Dozent an der Uni Bremen. Erst in den siebziger Jahren wurden in den Niederlanden an den Universtäten Utrecht und Amsterdam Homostudien eingerichtet, die den Bremer ForscherInnen als Vorbilder dienen.

Eher als Zentrum und weniger als eigenständiges Institut bezeichnet sich die neue Studieneinheit. Forschung und Lehre sollen eng aneinander gekoppelt und die Lehrveranstaltungen interdisziplinär vor allem in den Fachbereichen Soziologie, Psychologie und Kulturwissenschaften angeboten werden. Im Charakter des Zentrums, so Lautmann, liege auch der Unterschied zu den schon seit Jahren zum Veranstaltungsprogramm der Uni Bremen gehörenden „Homostudien“.

Inhaltlich geplant sind zunächst Forschungsprojekte zu Familie und homosexuellem Coming-out (geleitet von Dr. Rainer Hoffmann), zur in den Wissenschaften immer noch vernachläßigten Bisexualität sowie das Projekt „Homosexualität und Faschismus“ zum Schicksal der schwulen und lesbischen Häftlinge der nationalsozialistischen Konzentrationslager des Emslandes.

Dieses sei jedoch fürs erste das einzige Projekt, was sich mit politischer Repression von Homosexuellen beschäftige, so Initiator Dr. Jörg Hutter. Die Diskussion dieser Themen gehe nach und nach zurück – ein Zeichen für die langsame Etablierung der Schwulen und Lesben in der Gesellschaft. So sei das Ziel der Studieneinheit, die vielfältigen Möglichkeiten der homosexuellen Lebensgestaltung nachzuempfinden und „die Schwulen und Lesben eigene Kultur in der Gesellschaft“ zu entdecken, wie Lautmann ergänzte.

Nicht nur „Homos“ arbeiten an den Schwullesbischen Studien mit; gerade Heteros seien sehr willkommen, da sich eine gewisse Distanz zum „Forschungsgegenstand“ oft positiv auf die Arbeit auswirke, so Geschäftsführerin Dr. Brigitte Honnens. Bei seinen bisherigen Vorlesungen zum Thema Homosexualität schätzt Lautmann den Anteil der homo- und heterosexuellen StudentInnen etwa halb-halb.

Die finanzielle Basis der Forschungseinheit ist für die nächsten Jahre weitgehend gedeckt. Für die Schwullesbischen Studien machte das Land Bremen zunächst eine dreijährige Startfinanzierung (zwei halbe Stellen plus Sachmittel) locker. Für den Rest und vor allem für die Zeit danach müssen jedoch Drittmittel her. Unter dieser Bezeinung läuft bereits die finazielle Förderung des Projektes Homosexualität und Faschismus, das vom niedersächsischen Bildungsmisterium eine Finanzspritze erhält. rem

Um den anwesenden Studies schon mal eine kleine Kostprobe des kommenden Lehrprogramms zu liefern, ging es beim Eröffnungsfestakt hochgeistig zu. Professorin Gerburg Treusch-Dieter, Soziologin aus Berlin, widmete sich in ihrem Vortag „Zur Produktion der Sexualität in der Moderne“ vor allem Theorien Foucaults. Im Vortrag von Professor Helmut Kentler, Sozialpsychologe aus Hannover, ging es unter dem Titel „Homosexualität und Antihomosexuallität in Alltagsbeziehungen“ hauptsächlich um das Phänom, daß gerade Männer, die ihre offensichtlichen homosexuellen Neigungen verdrängen, zu Agrressoren gegen Schwule, Lesben und andere Minderheiten werden und zu unüberlegter Gewaltätigkeit neigen. rem