: "Multis manipulieren Preise"
■ Was die europäische Gemeinsame Marktorganisation für Bananen (GMO) in Lateinamerika und der Karibik bewirkt hat, erzählen Freddy Menndez und Richard Charles
Freddy Menéndez spricht für den costaricanischen „Verband zum Schutze der Arbeiter und der Umwelt“ (Asotrama), Richard Charles für die Kleinbauernvereinigung Winfa von den Windward-Inseln in der südlichen Karibik.
taz: Welche Unterschiede gibt es zwischen der Bananenproduktion der Windward-Inseln und Costa Ricas?
Charles: In Lateinamerika werden die Bananen weitgehend von Multis produziert und verschifft. So können die die Preise manipulieren. Auf den bergigen Windward-Inseln dagegen besitzen die Farmer ihr eigenes Land. Sie bebauen ein bis zehn Hektar. Die Bauern besitzen keine Maschinen, sie haben nur ihre eigene Kraft.
Und wer kauft den Farmern ihre Ware ab?
Charles: Der Geest-Konzern. Der britische Multi verschifft unsere Bananen nach Europa und vermarktet sie dort. Bis Anfang dieses Jahres war Geest Monopolvermarkter unserer Ernte. Jetzt hat er nur noch 78 Prozent. Aufgrund unserer arbeitsintensiveren Produktionsweise und der Rolle von Geest bezahlen die KonsumentInnen in Europa einen höheren Preis für unsere Bananen.
Was hat die Bananenmarkt- Ordnung geändert?
Menéndez: In Costa Rica und anderen zentralamerikanischen Ländern wurden früher sogar geschützte Primärwälder abgeholzt. Auch näherten sich die Plantagen den Reservaten der Indigenas von Talamanca in Costa Rica. Diese Expansion wurde durch die GMO gestoppt. Die Arbeitsbedingungen haben sich jedoch eher verschlimmert. Viele Arbeiterinnen sind entlassen worden. Auf den Plantagen der Geest, die jetzt auch in Costa Rica produziert, wurde mit Duldung der Regierung ein Streik sehr brutal niedergeschlagen.
Charles: Den Farmern auf den Inseln hat die GMO große Probleme gebracht, denn sie waren nicht darauf vorbereitet. Die neue Marktordnung erschwert uns den bisher geschützten Zugang nach Großbritannien. Aufgrund dieser Entwicklung mußten einige Farmer Bankrott anmelden. Gerade Frauen in den Verpackungsfabriken verloren ihr Arbeit, denn die Kleinproduzenten müssen bei gleicher Bezahlung nun selbst verpacken.
Die Preise fielen aber nicht nur aufgrund der GMO, sondern auch wegen der sinkenden Kurse von Dollar und Pfund?
Charles: Dies war eine der Schwierigkeiten. Andererseits mußten wir neue Produktionsmethoden anwenden, um mit den Festlandsplantagen konkurrenzfähig zu werden. Unsere Bananen müssen jetzt größer werden. Auch tragen die Farmer die Büschel auf dem Rücken aus den Feldern. Dadurch sind die Bananen häufiger beschädigt als die lateinamerikanischen, die an Seilmasten und Haken transportiert werden. Dennoch sehe ich einen Vorteil in der GMO. Zunehmend wird den meisten Farmern klar, daß es darum geht, unsere Industrie selbst zu kontrollieren. Wir haben bereits begonnen, die halbstaatlichen Produzentenvereinigungen umzustrukturieren und die Kontrolle seitens der Farmer zu erhöhen.
Welche Forderungen habt ihr an die Europäische Union?
Menéndez: Wir können nicht darauf hoffen, daß Menschen aus anderen Ländern uns die Kastanien aus dem Feuer holen werden. Doch wir können gemeinsam darauf hinarbeiten, daß die EU Sozialstandards in ihre Verträge integriert. Dabei müssen die Konsumentenländer Druck machen, daß bei uns die Gewerkschaftsfreiheit angewendet, der Pestizideinsatz reduziert sowie nach möglichen – etwa natürlichen – Anbaualternativen gesucht wird.
Charles: Die Position der Winfa ist, daß weiterhin unsere feste Exportquote garantiert werden muß. Das ist notwendig für das Überleben der Inseln. Ökologische und soziale Standards sind für uns ebenfalls existentiell, denn wir treten in Konkurrenz zu Multis wie Geest, Dole oder Del Monte. Diese Konzerne operieren in ganz Zentralamerika, ohne daß irgendwelche Menschenrechte und die Umwelt respektiert werden. Sie zerstören diese Länder, und deshalb produzieren sie so billig. Interview: Boris Scharlowski,
BanaFair
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