: Weniger Müll, dafür mehr Autos
■ Jahresbericht 1994 des Umweltbundesamtes veröffentlicht
Berlin/Bonn (taz) – Angela Merkel greift vor. Noch in diesem Jahr, versprach die Bundesumweltministerin gestern in Bonn, werde sich die Regierung auf eine „schadstoffabhängie Kfz-Steuer“ einigen. Bei Verkehrsminister Matthias Wissman lägen dafür schon „sehr konkrete Pläne“.
Falls die Christdemokratin das Versprechen einlöst, dürfte das Dieselzeitalter zu Ende gehen. Ihre Fachbehörde, das Umweltbundesamt in Berlin, warnt im neuen Jahresbericht überraschend deutlich vor der Gefahr des Dieselrußes. Die krebserregende Wirkung sei durch Tierexperimente wie epidemiologische Untersuchungen bestätigt. Selbst moderne Pkw-Dieselmotoren zeigten ein höheres Wirkungspotential, deshalb sei der „Ottomotor mit geregeltem Dreiwegekatalysator derzeit das umweltverträglichere Motorenkonzept“.
Unter dem Verkehr leidet die Umwelt trotzdem am meisten. In keinem Bereich, heißt es im Jahresbericht, sei „eine geringere Umweltbelastung des Produkts“ durch den „Bestandszuwachs und die Nutzungsintensität“ so kompensiert worden wie hier. Die Autoindustrie solle endlich „realistische Angaben über den Kraftstoffverbrauch“ machen. Allzu viele Hoffnungen auf private Einsicht macht sich Amtspräsident Heinrich von Lersner jedoch nicht. Mit freiwilligen Maßnahmen, sagte er, könnten die Emissionen des Treibhausgases CO2 nicht um die 25 bis 30 Prozent gesenkt werden, die sich die Regierung bis zum Jahr 2005 verordnet hat. Auch der Verbrauch von Stein- und Braunkohle müsse sinken, was zu sozialen und politischen Konflikten führe.
Wieder auf der Anklagebank sitzt die Landwirtschaft. Die Ammoniak-Emissionen aus der Massentierhaltung schädigten den Wald ebenso wie die Stickoxyde, die zu zwei Dritteln aus dem Verkehr stammen. Doch auch gute Nachrichten sind zu vermelden: Der Anteil des Pestizids Lindan sank im menschlichen Fettgewebe von 1977 bis 1993 um 96 Prozent; im menschlichen Blutplasma ging der Anteil des Holzschutzmittels Pentachlorphenol (PCP) von 30 Mikrogramm pro Liter im Jahr 1985 auf 5 Mikrogramm im Jahr 1993 zurück. Sogar die Belastung mit Dioxinen und Furanen läßt nach. Von 1988 bis 1993 sank ihr Anteil in den Eiern von Silbermöwen um die Hälfte.
Auch die „Emissionsminderung bei Abfallverbrennungsanlagen“ habe dazu beigetragen, meint das Amt. Von denen würden zudem deutlich weniger gebraucht als vor zehn Jahren gedacht. Statt der einst geplanten 100 Müllverbrennungsanlagen reichte schon die Hälfte, so das UBA. „Technisch durchaus realisierbar“ sei es zudem, die 10 Millionen Jahrestonnen, die noch verbrannt werden sollten, weiter zu reduzieren.
Angela Merkel nahm die Selbstkritik zum Anlaß, Städte und Kommunen vor eigenmächtig erlassenen Verpackungssteuern zu warnen. Nur „kommunen- und länderübergreifende Konzepte“ wie der Grüne Punkt könnten den Müllberg abbauen. Niklaus Hablützel
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