: „Ich würde auf den Knopf drücken“
Tornados für den Einsatz in Bosnien werden nach Italien verlegt / Gestern besuchte Verteidigungsminster Volker Rühe die Piloten auf dem Fliegerhorst und sprach ihnen Mut zu ■ Aus Lagerlechfeld Klaus Wittmann
Beim Pressetermin ist alles durchorganisiert. Gleich drei von acht ECR-Tornados, die in Kürze zum Bosnieneinsatz nach Piacenz in Norditalien verlegt werden, stehen für die Kamerateams und Fotografen bereit. Und die Ansprechpartner sind top-gebrieft. Tornado-Pilot Lutz, 33, der seinen Familiennamen nicht sagen darf, redet gewandt. Er ist verheiratet, hat ein Kind und 1.200 Flugstunden auf dem Buckel. Er ist ein „alter Hase“ im Fliegergeschäft. „Insgesamt sind wir alle Soldaten genug, daß wir uns dem Primat der Politik unterordnen. Und wenn da eine demokratische Entscheidung gefällt wird, werden wir uns dieser Entscheidung stellen und dementsprechend unseren Auftrag ausführen.“ Piloten, die so antworten, sind dem Verteidigungsminister die liebsten. Da lächelt Rühe freundschaftlich.
Der dementsprechende Auftrag kann aber sehr schnell das Abfeuern einer HARM-Rakete auf eine feindliche Radarstellung, kann in letzter Konsequenz das Töten gegnerischer Soldaten bedeuten. Auch darüber hat sich Lutz, der Musterpilot, Gedanken gemacht. „Ich weiß im Moment nicht, wie es tatsächlich ist. Aber ich glaube, wenn die Regeln soweit klar sind und ich vor der Situation stehe, würde ich auf den Knopf drücken. Das ist mein Auftrag. So bin ich erst einmal ausgebildet, und wie es dann hinterher aussieht, müßte ich dann sehen.“
Der Tornado-Pilot, der seit fünf Jahren dieses so in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückte „Fluggerät“ bedient und der vorher drei Jahre lang auf einer „Phantom“ geflogen ist, gibt „eine gewisse Angst vor einem solchen Einsatz“ zu. Seine Frau würde aber weit unruhiger schlafen als er in letzter Zeit. Aber sie sei ja auch nicht so ausgebildet wie er. „Ich weiß ungefähr, was mich da unten erwartet ..., und ich weiß, daß ich es gut mache.“
Voraussichtlich am 21. Juli, sagt dann wenig später Minister Rühe, wird es wohl soweit sein. Dann werden die 293 Soldaten aus Lagerlechfeld mit ihren 386 Tonnen Material ins italienische Piacenza verlegt. Über der Adria werden sie Formationsflüge üben, die derzeit für die Anwohner des Lechfelder Fliegerhorstes so unerträglich geworden sind, daß manche sich schon mit dem Gedanken tragen, ihr Häuschen zu verkaufen. Die Piloten sollen nicht über dem ehemaligen Jugoslawien üben. Apropos üben: Kräftig aufgefrischt wurde in jüngster Zeit das Überlebenstraining. „Vom Zentrum für Innere Führung waren einige Herren hier, die berichtet haben, was geschieht, wenn man gefangen wird“, weiß bei der Einführung der Presseoffizier zu berichten. Ein Seminar über Gefangenschaft und Tod soll die Piloten fit machen für das, was möglicherweise eintreten könnte.
Der Heeresverbindungsoffizier, der auch anwesend ist, berichtet, daß man wohl nicht mehr lange „beim möglichen Rausholen“ von abgestürzten Piloten auf die Amerikaner angewiesen sein wird. Derzeit werde am Standort Calw „so eine Spezialtruppe zusammengebaut“. Mit Soldaten aus Nagold und Weingarten. Entsprechende Hubschrauber und Material würden beschafft, und nächstes Jahr soll dann diese Truppe einsatzbereit sein.
Was sie zur Zeit deutlich verunsichert, berichten Piloten und Referenten des Jagdbombergeschwaders 32 übereinstimmend, sei die Tatsache, daß es noch Unklarheiten bei den „Rules of Engagement“, den Verhaltensregeln, gebe. Soll der Tornado-Pilot bereits feuern, wenn er vom Suchradar des Gegners erfaßt wird, oder erst, wenn dieser das Zielerfassungsradar auf die Bundeswehrmaschinen richtet? Eine Frage, die womöglich über Leben und Tod entscheidet. Presseoffizier Kloss meint dazu: „Wir wollen erreichen, daß wir unsere Waffe einsetzen dürfen, sobald er (gemeint ist der Radarposten am Boden, d.Red.) das Suchradar aufschaltet.“
Eine Stunde nach diesem Satz wird Volker Rühe in der Pressekonferenz dazu sagen, daß dies alles geregelt sei, daß bei den Soldaten über die Rules of Engagement keine Zweifel bestehen. Die Verhaltensregeln seien jedoch so, daß sie einen optimalen Schutz böten.
Einzelheiten dazu will der Verteidigungsminister allerdings nicht sagen, und während er in den nächsten Hubschrauber steigt, um die Transportflieger im benachbarten Ort Penzing zu besuchen, bekommen die angereisten Kamerateams noch eimal die inzwischen grau gespritzten ECR-Tornados im Einsatz zu sehen – zum Leidwesen der Anlieger, die den Lärm inzwischen oft bis nach Mitternacht ertragen müssen.
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