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Ohne Schlagstock

■ Seit 1. Juli patrouillieren halbzivile bahneigene Sicherheitsleute durch den Bahnhof

Die beiden hochgewachsenen Männer genieren sich. Was die Presse aber auch immer alles fragt! Dabei bestehe ihre Arbeit doch meist hieraus: Den Reisenden die Uhrzeit zu sagen oder wo ihr Zug abfährt. Was den beiden Männern vom „beschützenden Kundendienst“ der Deutschen Bahn AG so normal vorkommt, ist jedoch eine kleine Revolution im Bahnhofsalltag. Na, sagen wir: eine Reform. Zumindest äußerlich.

Denn bislang patrouillierten durch den Bremer Hauptbahnhof private Sicherheitsleute. Und zwar in einem Outfit, das an die Neonazi-Szene erinnerte: Springerstiefel, Bomberjacken, Schlagstöcke. Da sehen Martin L. (24) und Horst W. (51) in ihren weißen Hemden, normalen blauen Stoffhosen und normalen Schuhen doch wesentlich ziviler aus. Keine Waffen, nur ein Funkgerät für den Kontakt zu Bahnpolizei/Bundesgrenzschutz. Und ein Barett zwecks Autorität.

Seit 1. Juli bewacht die Deutsche Bahn AG ihre Bahnhöfe selbst. In 27 großen Bahnhöfen sind rund 500 Bahnschutz–MitarbeiterInnen unterwegs. Sie sollen im Bahnhof und in Nahverkehrszügen aber nicht nur für Sicherheit, sondern auch für Sauberkeit und Service sorgen („3S-Programm“). Service heißt auch: Koffer tragen.

In einem sechswöchigen Kurs lernten die MitarbeiterInnen allerhand von der Ersten Hilfe über Selbstverteidigung bis zur Wartung von Fahrtreppen und Techniken der Konfliktbewältigung. Voraussetzung: Nicht nur eine gewisse Fitness und ein „umgängliches Naturell“, sondern auch eine Ausbildung in einem kundenorientierten Beruf oder bei Bahn, Polizei, Bewachungsgewerbe u.ä. Der gelernte Tischler Martin L. zum Beispiel hat bei der Industrie- und Handelskammer einen Werkschutz-Fachkraftschein gemacht.

Sicherungs-Erfahrung bringt sowieso Horst W. mit: Der gelernte Einzelhandelskaufmann arbeitete lange im Sicherheitsdienst für Bundeswehr und Mercedes. Einsame Jobs. Nun aber steht er mitten im Gewusel der Ferienreisenden, weist stoisch mit dem Arm mal zum Geldautomaten, mal zur Straßenbahnhaltestelle. An diesem Samstagmorgen tut er das schon seit 6 Uhr früh – so früh kamen nämlich die 30-Mark-Ticket-Reisenden.

„Da muß man halt auch mal toleranter sein, wenn die Leute drei, vier Stunden Aufenthalt haben“, sagt Martin L. Denn eigentlich darf man im Bahnhof nicht auf dem Boden sitzen. „Aber wenn die nicht im Weg sitzen, sondern sich in eine Ecke verkrümeln...“ Mit mehr Toleranz dürfen jetzt vielleicht auch Obdachlose rechnen. Zwar ist laut Hausordnung „gewohnheitsmäßiges Trinken“ im Bahnhof untersagt – „aber solange die nicht andere Leute anpöbeln“, sagt Martin L. Seine Vorgänger, die privaten Sicherheitsleute, stürzten sich bereits auf Obdachlose, wenn die nur die Nase zur Tür reinsteckten.

Sollte aber einer pöbeln, dann zieht Martin L. seine Lederhandschuhe aus der Gürtelschlaufe: „Die sind für Unkunden.“ Für Leute ohne „Reiseabsicht“ also. Aber soweit müsse er fast nie gehen, sagt er. Selbst den strengeren Ton müsse er fast nie anschlagen. Meist reiche schon die freundliche Aufforderung.

So wie an diesem Samstagmorgen gegenüber den Ravern, die nach Berlin fahren wollten und per Recorder den Bahnhof erzittern ließen. „Da ist man hingegangen und hat Bescheid gesagt. Das waren sehr nette Leute“, meint Martin L. Ob man als Bahnschutzmann nicht prinzipiell mißtrauisch ist? „Ach nein, ich denke eigentlich immer nur das Beste von den Menschen.“ cis

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