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Bürgerinitiativen gründen eine Bürgerpost

■ Jeden Donnerstag finden in Hannover Demonstrationen für Stadtteilpostämter statt

Hannover (taz) – Gelb, postgelb, waren die sechs Transparente der Bürgerinitiativen, die auch diesen Donnerstag vor der Hauptpost protestierten. Hartnäckig taten die 30 älteren Damen und Herren kund: „Wir fordern die Wiedereröffnung unseres Postamtes oder die Einrichtung einer Postagentur!“ Und auf einem anderen Transparent empören sie sich: „Post brüskiert Petitionsausschuß“.

Der Anlaß für die regelmäßigen Donnerstags-Demonstrationen liegt schon beinahe zwei Jahre zurück. Im Herbst 1993 hatte die Post elf von 43 hannoverschen Postämtern geschlossen, darunter auch in den Stadtteilen Sahlkamp und Waldheim. Die „Selbsthilfe Hannover-Sahlkampf e. V.“ und die „Bürgerinitiative Hannover- Waldheim“ haben dagegen nicht nur in Hannover und in Bonn demonstriert, haben nicht nur den Petitionsausschuß des Bundestages bemüht und Klage beim Verwaltungsgericht erhoben, im Stadtteil Sahlkamp haben sie auch eine Bürgerpost gegründet. 580 Haushalte zahlen fünf Mark Monatsbeitrag, dafür nehmen zwei pensionierte Schalterbeamte täglich Briefe, Päckchen und Pakete entgegen, die sie – gesammelt – bei der offiziellen Post einliefern.

„Die Post hat gegen ihre eigenen Richtlinien verstoßen. In einer Großstadt darf das nächste Postamt nicht mehr als 2.000 Meter entfernt sein“, sagt BI-Sprecher Detlef Krüger. Das habe der Bundestag so festgelegt. Die hannoversche Postdirektion stellt nicht in Abrede, daß es die Sahlkämper und Waldheimer jetzt weiter als zwei Kilometer haben. Nur soll für die privatisierte Post der alte Infrastrukturauftrag nicht mehr gelten: „Wir sind an einer schnellen gerichtlichen Klärung interessiert und auf das Urteil gespannt“, sagt Postsprecher Siekmann. Der Petitionsausschuß empfahl die Einrichtung einer Postagentur, einer privaten Poststelle. Doch die hannoversche Direktion will nicht. „Postagenturen“, sagt Siekmann, „können wir nur in ländlichen Gebieten oder in Stadtrandlagen eröffnen, sonst hat das nächste Postamt wieder zuwenig Kunden.“

Rund ein Viertel der Waldheimer sind über 65 Jahre alt. Das nächste, drei Kilometer entfernte Postamt hat sie keineswegs als Kunden gewonnen. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln sei es praktisch nicht zu erreichen, schimpft Krüger. Überhaupt werfen die Bürgerinitiativen der Post vor, kräftig für die Zunahme des innerstädtischen Autoverkehrs zu sorgen – Pakete müsse man jetzt öfter selbst abholen, außerdem zwängen die vorverlegten Leerungszeiten der Briefkästen zu weiteren Autofahrten zur Hauptpost.

„Das mit dem Individualverkehr ist wohl tatsächlich so“, gibt der Postsprecher zu. Aber verhandeln will die Post nicht, obwohl das der Vorstand bei der Bonner Demo zugesagt hatte. „Die Post kneift“, sagt Krüger, und deswegen hatten die Damen und Herren eine gerahmte goldene Kneifzange dabei. Doch die Post hat die „Annahme verweigert“. Jürgen Voges

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