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Dick, fett, häßlich

■ Der Dodo wird rehabilitiert - Vogel- Ausstellung im Artis-Zoo Amsterdam

Der Dodo ist nicht ein Vogel wie andere Vögel. Wenn auch ausgestorben, lebt er in vielen Welten weiter. Zum Beispiel in „Alice in Wonderland“ als Herr Dodgson, mit dem das Mädchen eine Ruderpartie auf einem Fluß nahe Oxford unternimmt. Über die Jahrzehnte wurde die Identität des Tieres aber immer verschwommener, es galt als dick und tumb.

Ornithologen und Archivare forschten mühsam, zu einem einheitlichen Bild gelangten sie jedoch nicht. Die Lücken im Wissensfundus wurden mit allerlei Spekulationen gestopft. „Es gibt tatsächlich keinen Vogel, über den soviel Unsinn erzählt wird“, sagt Ausstellungsleiter Ben van Wissen von der Universiteit van Amsterdam, „und von dem auch dermaßen falsche und karikierende Abbildungen kursieren.“

Um das geschundene Tier zu rehabilitieren, widmet ihm die Universität im Amsterdamer Artis- Zoo eine ganze Ausstellung. Wissenschaftlich fundiert: „Das Schicksal des Dodo“.

Ende des 16. Jahrhunderts wird der Dodo von niederländischen Seefahrern auf der Insel Mauritius entdeckt. Nur achtzig Jahre später ist er ausgerottet. Die Entdeckungsfahrten in den Fernen Osten sind in Tagebüchern und Reiseberichten festgehalten. Sie liefern das authentischste Zeugnis, obwohl sie nach und nach voneinander abgeschrieben wurden. Ein Copyright kannte man damals nicht.

Die Dodos werden mit Schwänen verglichen, die aufrecht wie ein Mann laufen. Der Kopf groß, mit Fell besetzt, als trage er eine Haube. An den Körperseiten: drei, vier schwarze Federn, darunter kleine, zurückgewachsene Flügel. Ein gelocktes, gräuliches Büschel ziert den Hintern.

Das Fleisch des flugunfähigen „Ekelvogels“, so wurde er genannt, sei zäh. Für die Seeleute war der Dodo den Turteltauben auf keinen Fall vorzuziehen. Trotzdem trugen sie einige Exemplare an Bord ihrer Schiffe als Wegzehrung in die Niederlande.

Von einem reisenden Franzosen wird der Ruf des Dodos mit dem eines Gänsekükens verglichen. Bislang hatte man sich auf ein taubenartiges Gurren, „Ru-ku“ oder eben „Du-du“ geeinigt. So soll der Dodo auch seinen Namen erhalten haben.

Lebend geht er als Attraktion und Präsent auf große Fahrt. Er gelangt in die Menagerie des Großmoguls von Persien. Prag, Amsterdam, Jakarta, Nagasaki und etliche Male Großbritannien empfangen ihn. Der Dodo wird wie der Pandabär zum Abgesandten eines untergehenden Tierreichs.

Folquart Iversen aus dem deutschen Husum berichtet als einer der letzten von Mauritius: Der häufig als träge beschriebene Dodo sei scheu und schnell geworden. Iversen trifft ihn offenbar nur noch auf einigen Vorinseln an. Auf Mauritius selbst scheint dem Dodo das Aussetzen von Schweinen, Affen und Ziegen den Garaus gemacht zu haben. Eben- und andere Sorten Hartholz sind gerodet. Von der Saat und den Beerenfrüchten hatte sich der Dodo über Jahrhunderte ernährt.

Übriggeblieben sind in einigen naturhistorischen Museen die Gerippe von Dodos (Senckenberg- Museum, Frankfurt). Teils sind sie aus den Knochen lebendiger Vögel montiert, die nach Europa gelangten. Als bekanntester Beweis, daß es den Dodo überhaupt gegeben hat, galt der „Kopf von Oxford“. Es hat dort einige ausgestopfte Dodos gegeben, doch wurden sie verbannt, auf die Straße gestellt, oder sie gingen verloren. So lautete der Mythos: „Von Fäule und Insektenfraß angegriffen, erteilte das Kuratorium den Auftrag, den Dodo zu verbrennen. Der Schädel und ein Fuß sollen als Beweis aufbewahrt werden.“ Die eigentliche Geschichte aber ging anders: Ein neuer Konservator rettete im letzten Moment die beiden Teile des zerfallenen Vogels. Eine regelrechte Dodomanie führte dazu, daß 1865 erstmals in einem trockengelegten Sumpf auf Mauritius gebuddelt wurde. Allerlei Knochen von Schildkröten und von ausgestorbenen Vogelarten, darunter auch von Dodos, kamen zum Vorschein und ergänzten die Sammlungen.

Mit dem Software-Programm „Parallax“, das auch die Saurier im Film „Jurassic Park“ in Bewegung brachte, wurde schließlich auch der ausgestorbene Vogel für die Artis-Ausstellung reanimiert. Parallax läßt jedes Skelett sich natürlich bewegen und laufen.

Dabei zeigte sich schnell, daß die Museumsskelette den Dodo in einer seltsamen und unnatürlichen Haltung präsentierten. Der Dodo hätte sich danach früher mit gebogenen Knien in der Hocke fortbewegen müssen.

Die Skelettbauer orientierten sich an zeitgenössischen Malereien, die den Dodo jedoch realistisch wiedergaben. Als in sich gesunkenen, dummen Fettsack, monatelang auf einem Schiff in eine Kiste gepfercht, versorgt mit falschem oder zuviel Futter. Harald Neckelmann

Ausstellung „Das Schicksal des Dodos“, Artis Geologisch Museum, Amsterdam, bis 15. November.

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